© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

„Journalistischer Totalausfall“
„Der Tagesspiegel“ greift eine Biologin und eine Journalistin an / Presserat prüft Beschwerden
Frank Hauke

Mit einer perfiden Methode versucht der Tagesspiegel, die anti-woke Autorin Judith Sevinç Basad und die Biologin Marie-Luise Vollbrecht zu diskreditieren. Doch weil sich die Hauptstadt-Zeitung dabei zu vieler unlauterer Mittel bedient hat, ging der Schuß nach hinten los. Beschwerden beim Presserat liegen vor.

Das Muster aus der linken Szene, dessen sich das Blatt bedient, funktioniert so: Um politisch nicht genehme Akteure herum wird ein Netzwerk konstruiert, das sich aus vermeintlich noch gefährlicheren Personen zusammensetzt. Fertig ist der Beweis, daß mit diesen Menschen nur reden kann, wer wiederum selbst in Verruf geraten will. Dafür gibt es das Wort „Kontaktschuld“.

Zuvor waren bereits Regisseur Dietrich Brüggemann und die Schauspieler der ironischen Anti-Corona-Maßnahmen-Kampagne „Alles dichtmachen“ Opfer dieser Art von Tagesspiegel-Journalismus geworden. Vergleichbar verfuhr die Redaktion auch mit dem Arzt und Corona-Kritiker Paul Brandenburg. Ihm wurde zur Wiedergutmachung immerhin ein Video-Gespräch eingeräumt.

Verbindung zum NPD-Chef konstruiert

Bei der aktuellen Kampagne griff der Tagesspiegel tief in die Giftkiste der Manipulation. Basad hatte kürzlich aus Protest gegen die teilweise woke Ausrichtung des Hauses Axel Springer bei der Bild-Zeitung gekündigt. Um Vollbrecht zu diskreditieren, fakte die Redaktion einen Twitter-Thread, also einen Austausch in dem sozialen Medium. Außerdem log die Zeitung, Basad suche die Nähe des NPD-Vorsitzenden Frank Franz; ein absolutes K.-o.-­

Kriterium, um Menschen mundtot zu machen. Gegen dieses Vorgehen des Tagesspiegel liegen zwei Beschwerden beim Presserat vor. „Die Beschwerdeführerinnen beanstanden übereinstimmend eine Sorgfaltspflichtverletzung nach Ziffer 2 des Pressekodex,“ antwortet er der JUNGEN FREIHEIT.

Thema des Artikels ist, wie die angebliche „Ablehnung von trans Menschen“ in den sozialen Medien „ganz unterschiedliche Gruppen“ vereine. Schlagzeile: „Wie trans Menschen zum Haßobjekt von rechts und links werden“. Es gebe eine Twitter-Blase um Vollbrecht, die eine „diffuse Angst“ vor sogenannten Queer-Personen schüre. Diese würden „belästigt, verhöhnt, bedroht“. Sehr schnell fällt auch das Wort „gefährlich“.

Nachdem die Humboldt-Universität den Vortrag der sich selbst als Feministin bezeichnenden Vollbrecht auf Druck linker Studenten abgesagt hatte, versuchte der Tagesspiegel das vielfach kritisierte Canceln der Biologin so offenbar nachträglich zu rechtfertigen.

Daß er dafür sogar eine Unterhaltung auf Twitter verfälschte, hat indes eine neue Qualität. In einen Thread montierte die Zeitung Vollbrechts Bild hinein, so daß jeder Leser glauben mußte, die als Beleg für „Transfeindlichkeit“ inkriminierte Diskussion sei mit der Biologin geführt worden. Stimmte aber nicht. 

Dieses aktive Verändern rechtfertigte die Zeitung später als „technischen Fehler“. Dabei ist es längst journalistischer Usus. Alle Digital-Medien, auch der Tagesspiegel, dokumentieren serienweise Meinungsäußerungen, die auf Twitter gepostet wurden.

Später räumte die Redaktion ein, die verfälschend geänderte Unterhaltung sei eine „graphische Nachbildung eines längeren Twitter-Threads“, die sie selbst „gefertigt“ habe. Dabei sei „versehentlich statt des Twitter-Profilbildes der Journalistin Judith Sevinç Basad das Profilbild von Marie-Luise Vollbrecht gezeigt“ worden. Basad war bereits zuvor eingeschritten: Der veränderte Tweet sei „an Niedertracht kaum zu überbieten“.

So entwickelte sich der gesamte Beitrag, der Vollbrecht und Basad zu unerwünschten Personen machen sollte, zu einer journalistischen Blamage ersten Ranges. Denn auch die vom Tagesspiegel unterstellte Suche Basads nach Nähe zum NPD-Vorsitzenden stellte sich schnell als Banalität heraus. Der Parteichef hatte einen Tweet der Journalistin geteilt. Das ist eine Grundfunktion des Sozialen Mediums Twitter. Normalerweise kann jeder auf alle Tweets reagieren oder diese wie hier geschehen kommentierend zititeren.

Es stellt sich die Frage, ob der Tagesspiegel auch behauptet hätte, der Bundeskanzler suche die Nähe zum Vorsitzenden der rechtsextremen Partei, wenn dieser einen Tweet von Olaf Scholz geteilt hätte. Kurzum: Das kann nur verbreiten, wer sich bei Twitter nicht auskennt, oder wer unfair berichtet. Ersteres wäre jedoch bei einer Redaktion, die im Kosmos sozialer Medien zu Hause ist, unwahrscheinlich – zumal der sich investigativ gebende Text mehrere davon enthält. Diese sollen explizit die dort angeblich in einer Blase um Vollbrecht und Basad grassierende Transfeindlichkeit belegen. Die Ex-Springer-Autorin bezeichnete die vom Tagesspiegel konstruierte Anbiederung an den NPD-Chef als „journalistischen Totalausfall“.

Besonders bizarr: Der Tagesspiegel bedauerte kurz darauf, daß durch seine Berichterstattung „der Eindruck“ hätte entstehen können, die frühere Bild-Journalistin „suche die Nähe des NPD-Vorsitzenden“. Dabei hatte dies nur die Hauptstadt-Zeitung selbst behauptet. Im Zusammenhang mit dem eingebetteten Tweet Franks schrieb die Zeitung: „Interessant und bezeichnend ist auch, daß auf Twitter Mitglieder dieser Bubble selbst heftiger Kritik des NPD-Vorsitzenden Frank Franz am Selbstbestimmungsgesetz zustimmen und so versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen.“

Diese Passage hat die Zeitung inzwischen gelöscht. Mit einer „Korrektur“ zum Thread versehen, steht das Machwerk weiter im Netz.