© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Gescheiterter Traum vom Großraum
Pazifikkrieg: Die Schlachten der USA mit den Japanern in der Korallensee, bei Midway und Guadalcanal brachten im Sommer 1942 die Wende
Dag Krienen

Das Kaiserreich Japan gehörte, was Kolonien und Rohstoffressourcen anging, in den dreißiger Jahre wie Italien und das Deutsche Reich zu den „Have Nots“ unter den Großmächten. Japan hatte seine Lage Anfang der dreißiger Jahre zu Lasten Chinas durch die Gründung des Satellitenstaats Mandschuko auf dem gegenüberliegenden asiatischen Festland etwas verbessern können. 1937 ließ es sich jedoch auf einen Krieg mit China ein, der nach anfänglichen Erfolgen zu einem nicht enden wollenden kräftezehrenden Ringen führte, ohne daß die eroberten Gebiete die japanische Rohstoffnot mindern konnten.

Der Krieg in Westeuropa ab 1939 eröffnete Japan die Chance auf einen Vorstoß in die rohstoffreichen Kolonien der von Deutschland besiegten oder bedrohten Länder, das heißt Niederländisch-Indien (Indonesien), Britisch-Malaya und Französisch-Indochina. Im letzteren Fall konnte Japan ab Ende 1940 Frankreich so weit unter Druck setzen, daß es Truppen dort stationieren konnte. Ein weiteres „friedliches“ Vordringen im „Süden“ verhinderten indes die amerikanischen Philippinen und der US-Präsident Franklin D. Roosevelt.

Lange Zeit blieb es innerhalb der japanischen Führung umstritten, ob sie einen Krieg gegen die USA und das britische Empire wagen sollten. Die japanische Marine besaß als drittstärkste Seestreitkraft der Welt zwar im Pazifik das Übergewicht. Der Oberbefehlshaber der Flotte, Admiral Isoroku Yamamoto, war gegen einen Krieg, da er sich der langfristigen industriellen Überlegenheit der USA bewußt war: „Bekomme ich Befehl, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen Krieg zu führen, so werde ich sechs Monate oder ein Jahr lang wild um mich schlagen. Sollte der Krieg aber ein zweites oder drittes Jahr dauern, sehe ich äußerst schwarz!“ Die Sanktionspolitik Roosevelts, die Japan immer mehr vom Import von Ölprodukten und anderen wichtigen Rohstoffen abschnitt, ließ jedoch die Falken im November 1941 in Tokio die Oberhand gewinnen.

Der US-Sieg bei Midway wird als Entscheidungsschlacht gewertet

Durch einen Überraschungsangriff japanischer Trägerflugzeuge auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor auf Oahu (Hawaii) am 7. Dezember 1941 konnten alle acht Schlachtschiffe der amerikanischen Pazifikflotte entweder zerstört oder beschädigt werden. Wenig später versenkten landgestützte Bomber vor der malaiischen Küste zwei britische Schlachtschiffe. Damit hatten die Japaner im südwestlichen Ozean zunächst die Vorherrschaft zur See errungen und nutzten sie dazu, bis Mitte Mai 1942 die amerikanischen, britischen und niederländischen Kolonien in Südostasien zu erobern. 

Die Japaner hatten damit einen wirtschaftlich fast autarken Großraum in Ostasien geschaffen, der ihren Rohstoffbedarf, insbesondere an Mineralöl, weitgehend zu decken versprach. Die japanische Führung, die einen vollständigen Sieg über die USA mit anschließendem Diktatfrieden nie für möglich gehalten hatte, hoffte aber auf der Basis der eroberten Gebiete, alliierte Gegenangriffe abwehren und so verlustreich werden zu lassen, daß der Kriegswille der Gegner erlahmt wäre und diese sich zu einer Anerkennung des japanischen Großraums bereitgefunden hätten.

Nach der Eroberung Burmas im Westen fehlte allerdings im Südosten noch die „Abrundung“ dieses Herrschaftsbereiches durch die Eroberung der Salomonen-Inseln und der Südhälfte von Neuguinea. Der Versuch, durch eine amphibische Operation den Hafen Port Moresby an der Südküste des – durch eine hohe Gebirgsbarriere geteilten – Neuguinea zu erobern, scheiterte indes Anfang Mai 1942 in der Schlacht im Korallenmeer. Dieses erstmals nur mit Flugzeugen ausgetragene Seegefecht, bei dem sich die Kampfschiffe beider Seiten nie zu Gesicht bekamen, endete mit leichten Vorteilen der Japaner. Sie versenkten bei einem Verlust von einem leichten Hilfsflugzeugträger einen der großen US-amerikanischen Flugzeugträger und beschädigten einen zweiten schwer. Aufgrund hoher Flugzeugverluste mußten sie aber ihre Träger ebenfalls zurückziehen und konnten die Landeverbände nicht mehr schützen, so daß die Operation aufgegeben wurde.

Am 18. April 1942 hatten zudem 16 zweimotorige amerikanische Landbomber unter dem Kommando von James A. Doolittle, die von einem Flugzeugträger im Westpazifik gestartet waren, Ziele im Großraum Tokio bombardiert. Der angerichtete Schaden war nur gering, der Prestigeverlust der japanischen Marine jedoch groß. Sie plante darauf die Besetzung des mit einem Flugplatz ausgestatteten, in der Mitte des Pazifiks gelegenen amerikanischen Midway-Atolls, da von dort eine weiträumige Luftaufklärung gegen sich über den offenen Pazifik der japanischen Küste nähernde US-Schiffe möglich erschien. Yamamoto wollte zudem so die verbliebenen US-Träger hervorlocken, zur Schlacht stellen und vernichten. Deshalb stieß er Anfang Juni mit nahezu der gesamten japanischen Flotte in den Zentralpazifik vor, wobei ein kleiner Zweigverband zur Ablenkung vor Alaska die Aleuteninseln Kiska und Attu angriff und damit sogar US-amerikanisches Territorium besetzte. 

Aufgrund der Flugzeugverluste in der Korallensee konnten indes nur vier der sechs japanischen Flugzeugträger eingesetzt werden, denen die USA drei große Träger sowie die auf Midway stationierten Flugzeuge entgegenstellen konnten. Daraus entwickelte sich erneut eine reine See-Luftschlacht, in der die japanischen Träger am 3. Juni zunächst alle amerikanischen Luftangriffe von Midway abwehren und fast alle der im Tiefflug angreifenden trägergestützten Torpedoflugzeuge abschießen konnten. Kurzzeitig besaßen sie dadurch keinen Jagdschutz in größerer Höhe mehr, und im selben Augenblick fanden Sturzkampfbomber der amerikanischen Träger zufällig ihr Ziel und setzten innerhalb weniger Minuten drei der vier japanischen Träger in Brand. Der vierte wurde tags darauf ihr Opfer, nachdem er im Gegenangriff noch den US-Träger Yorktown schwer beschädigt hatte, der später zusammen mit einem längsseits liegenden Zerstörer von einem japanischen U-Boot versenkt wurde.

Midway ist als Entscheidungsschlacht im Pazifikkrieg bezeichnet worden. Das trifft insoweit zu, als der Verlust von vier der sechs großen japanischen Flugzeugträger Yamamoto die Möglichkeit nahm, weitere sechs Monate „wild um sich zu schlagen“. Andererseits hätte auch ein vollständiger japanischer Sieg bei Midway, das heißt die Vernichtung aller drei US-Träger ohne eigene Verluste, an dem grundlegenden ökonomischen Potentialgefälle zwischen Japan und den USA nichts geändert. Ein amerikanischer Marinehistoriker hat anhand der jeweiligen Neubauten an Trägern errechnet, daß die US Navy selbst in einem solchen Falle bereits im September 1943 in Bezug auf Flugzeugträger und mitgeführte Flugzeuge mit den Japanern gleichgezogen und Mitte 1944 bereits die doppelte Stärke erreicht hätte.

Wenn auch nicht die Entscheidungsschlacht im Pazifikkrieg, so stellte Midway doch einen Wendepunkt dar. Die strategische Initiative ging nun auf die USA über. Diese gedachten ihren Erfolg sofort auszunutzen und gegen den südöstlichsten Punkt des japanischen Verteidigungsrings vorzugehen, die weiterhin im Aufbau begriffenen Luftstützpunkte auf den Salomonen-Inseln Tulagi und Guadalcanal, von denen aus die Verbindungslinien zwischen den USA und Australien bedroht werden konnten.

Japanische Verteidigungslinie im Süden bei Guardalcanal knacken

In der Nacht vom 6. auf den 7. August 1942 landeten US-Marineinfanteristen auf beiden Inseln. Tulagi wurde innerhalb kurzer Zeit überrannt, auf der wesentlichen größeren Insel Guadalcanal gelang den Marines zwar die Eroberung des noch nicht fertiggestellten Flugfeldes, nicht aber die Vernichtung der japanischen Truppen. 

Um den Besitz dieser Insel entwickelte sich eine bis zum Februar 1943 hinziehende Abnutzungsschlacht zwischen US-amerikanischen und japanischen Land-, Luft- und Seestreitkräften. Die japanische Flotte konnte immer noch ihre Zähne zeigen. In der Nacht vom 8. auf den 9. August, zwei Tage nach der amerikanischen Landung, versenkte ein japanischer Kreuzerverband ohne eigene Verluste drei schwere US- und einen australischen Kreuzer des Deckungsverbandes und schoß einen weiteren Kreuzer und zwei Zerstörer zusammen. Zum Glück für die Amerikaner unterblieb ein Angriff auf die Landungsschiffe. Noch eine Weile erlitten die Amerikaner bei den Seegefechten gegen die für Nachtgefechte hervorragend ausgebildeten Japaner immer wieder schwere Verluste. Erst gegen Ende des Jahres verstanden sie es, ihre bessere Radar-Ausstattung mit Nutzen anzuwenden. In den sechs Monaten der Gefechte um Guadalcanal verloren die Japaner einen leichten Hilfsflugzeugträger, zwei alte Schlachtschiffe, vier Kreuzer und 11 Zerstörer. Die Amerikaner büßten hingegen zwei große Flottenflugzeugträger, acht Kreuzer und 14 Zerstörer ein. Zwei moderne Schlachtschiffe und zwei weitere Flottenflugzeugträger wurden beschädigt, so daß im Oktober 1942 die US Navy im Pazifik mehrere Wochen lang keinen einzigen einsatzfähigen Träger mehr besaß. 

Was zunächst wie ein Unentschieden mit leichten Vorteilen für die Japaner aussah, war es aufgrund der sich immer stärker bemerkbar machenden technischen und industriellen Überlegenheit der USA jedoch nicht. Yamamoto wollte am Ende keine weiteren Verluste seiner seit Midway angeschlagenen Flotte mehr riskieren und brach die Schlacht um Guadalcanal ab. Den Japanern gelang es Anfang Februar 1943, unbemerkt ihre überlebenden 11.000 Soldaten von der Insel abzutransportieren. Am 9. Februar fanden die Marines nur noch leere Stellungen vor.

So endete die Schlacht um Guadalcanal mit einem – allerdings unter hohen Verlusten errungenen – Sieg der USA, denen hier ein erster Durchbruch durch den japanischen Verteidigungsring gelang. Weitere Durchbrüche im pazifischen „Inselspringen“ sollten folgen, die aufgrund der zunehmenden Erfahrung und der wachsenden materiellen und technologischen Überlegenheit der Amerikaner für diese weit weniger riskant und verlustreich waren. Japans Führer mußten hingegen hinnehmen, daß ihre Hoffnung, die Feinde durch eine erfolgreiche Verteidigung des Vorfeldes ihres frisch eroberten Süd-Imperiums zu einem Verständigungsfrieden bringen zu können, ihre Grundlagen verlor.

Foto: Amphibische Landung US-amerikanischer Truppen am Strand von Guadalcanal 1942: Der japanische Admiral Yamamoto versprach, „sechs Monate oder ein Jahr lang wild um sich zu schlagen“