© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Menschliches Näherkommen mit Horch & Guck im Hotel Neptun
Warnemünder Westkomfort
(dg)

Um ein fast kapitalistisches Hotel im Sozialismus zu bauen, das nichts mit den spartanischen FDGB-Behausungen zwischen Poel und Usedom gemein haben sollte, mußte man nicht nur wirtschaftliche Interessen über ideologische Überzeugungen stellen. Es brauchte auch gute Verbindungen im Partei- und Staatsapparat, um 1971 – mit schwedischer Hilfe – in Warnemünde das heute noch existierende Luxushotel „Neptun“ zu realisieren – von außen ein häßlicher Kasten mit 338 Zimmern, 19 Stockwerke hoch. Innen jedoch eine exterritoriale Wohlfühloase mit Westinterieur, „Broilerbar“ und „Skybar“ inklusive. Das von DDR-typischen „Lieferengpässen“ geplagte Management mußte den Komfort des Klassenfeindes zwar oft vortäuschen, aber das „Neptun“, das neben Westtouristen nur handverlesenen Werktätigen der DDR Quartier gewährte, erfüllte vollauf seine Rolle als attraktive Herberge von Devisenbringern des nichtsozialistischen Auslands. Steffen Mau (HU Berlin) blickt daher auf das „Neptun“ vor dem Mauerfall als „interessanten Ort soziologischer Grundspannung“ zurück, der „menschliches Näherkommen über Blockgrenzen“ ermöglichte (Mittelweg 36, 2/2022). Was jedoch die im Hause allgegenwärtigen Spitzel von Erich Mielkes „Firma Horch und Guck“ an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht habe. 


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