© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Frisch gepreßt

Postwachstum. Die Partei der bundesdeutschen Grünen ist maßgeblich beteiligt an der „dümmsten Energiepolitik der Welt“ (New York Times). Wenn ihr für Wirtschaft und Weltrettung zuständiger Ampel-Minister Robert Habeck als deren Folge jetzt apokalyptische Szenen eines nahenden „Gasnotstands“ beschwört, kann er mangels Alternativen nur noch an die Bürger appellieren, ihren persönlichen Energieverbrauch drastisch einzuschränken. Habeck greift damit auf Ideen der in den 1970ern in Westeuropa entstandenen „Postwachstumsbewegung“ zurück, die die Grünen in ihrer Gründungsphase noch unterstützten, von der sie sich aber seit den 1990ern neoliberal scharf abgrenzen, weil sie unter der Rattenfänger-Parole „nachhaltige Entwicklung und ökologische Modernisierung“ weiter auf enthemmtes Wachstum gesetzt haben – getrieben nicht mehr von Öl und Gas, sondern von Sonne und Wind. Wenn nun Konsumverzicht, Sparen und Frieren angesagt ist, liefe grüne Politik erstmals der „Logik des Kapitalismus“ zuwider, wie sie der britische Journalist Jason Hickel im jüngsten seiner gegen die „Tyrannei des Wachstums“ gerichteten Bücher aufs Korn nimmt. „Weniger ist mehr“ ist eine flotte und selten originelle Kompilation sämtlicher Argumente, die zwischen Ernst Friedrich Schumachers „Small is Beautiful“ (1975) und Niko Paechs Streitschrift „Befreiung vom Überfluß“ (2012) zugunsten der Postwachstumsökonomie und ihrer „Strategie der Genügsamkeit“ vorgetragen wurden. (wm)

Jason Hickel: Weniger ist mehr. Warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind. Oekom Verlag, München 2022, gebunden, 348 Seiten, 24 Euro





Grünberger Wein. Das nördlichste zusammenhängende Weinbaugebiet Europas hat eine bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition. Bereits die Zisterzienser pflanzten im 13. Jahrhundert erste Reben amWestufer der mittleren Oder bei Grünberg. Die Güte des Weines stand über die Jahrhunderte nicht im besten Ruf, zeitweise spottete man sogar darüber, daß die Grünberger keinen Henker zu unterhalten bräuchten, da jedem Delinquenten bereits der Tropfen von den sanften niederschlesischen Hängen den Garaus bereiten könne. Erst mit dem Sektbaron Friedrich August Grempler konnte der Rebensaft in sprudelnder Form Ende des 19. Jahrhunderts sogar überregional reüssieren, bis 1945 im Zuge der Vertreibung der deutschen Winzer der Weinbau zum Erliegen kam. Der Grünberger Krzysztof Federowicz begibt sich nun literarisch auf die Spuren Gremplers, um das kulturelle Erbe seiner Heimatstadt zu porträtieren, die sich als einzige polnische Weinregion seit geraumer Zeit darum bemüht, Dionysos an der Oder eine Renaissance zu bereiten. (bä)

Krzysztof Fedorowicz: Jenseits des Vergänglichen. Geschichten von Grünberg und seinem Wein. Senfkorn Verlag, Görlitz 2022, broschiert, 270 Seiten, 19,90 Euro