© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Umwelt
Papier immer grauer
Tobias Dahlbrügge

Immer mehr Druckereien in Deutschland haben das gleiche Problem: Papier ist knapp und teuer. Oftmals können die Papierfabriken die Bestellungen gar nicht mehr vollständig erfüllen. Das führt zum „Klopapier-Effekt“: Mit allen Mitteln werden die Lager aufgefüllt und Reserven gehortet. Das verstärkt wie zu Corona-Beginn den Mangel. Doch das verstärkte Recycling und der Boom bei Amazon, Otto & Co. hat einen Nebeneffekt: Das Altpapier wird immer brauner! Immer mehr Kartonagen landen auf den Wertstoffhöfen. Der Anteil von Printmedien und Katalogen sinkt. Weißes Altpapier wird dementsprechend wertvoller. 1970 fielen in der Bundesrepublik nur 2,4 Millionen Tonnen Altpapier an, 2020 waren es deutschlandweit fast 15 Millionen Tonnen – trotz angeblicher Digitalisierung. Die kommunalen Wertstoffhöfe sind quasi Großhändler, die den Rohstoff an Papierfabriken liefern. Wichtig ist die Sortierung in helles graphisches und dunkles Verpackungspapier. Kartonagen zu entfärben ist aufwendig und nur graduell möglich. Sie sind ungeeignet für graphisches Papier.

Das „weiße“ Loch im eingespielten deutschen Recycling-Kreislauf wird zunehmend größer.

Daher wird der Großteil des Altpapiers wieder zu Kartonagen verarbeitet. Noch im Jahr 2000 war dieser Anteil deutlich niedriger, weil die gepreßten Altpapierquader im Durchschnitt deutlich heller waren. Daher wird das Loch im Recycling-Kreislauf zunehmend größer. Der Preis für recyceltes Standard-Druckerpapier hat sich fast verdoppelt. Der Bedarf an Papier in Deutschland ist EU- und weltweit mit über 200 Kilo pro Kopf im Jahr der höchste. Das liegt aber nur zum Teil daran, daß die Parole vom „papierlosen Büro“ aus den neunziger Jahren gescheitert ist, sondern auch daran, daß Deutschland weiter eine Exportnation ist (JF 29/22), die viel Verpackungsmaterial verbraucht und die Plastiktüte im Supermarkt praktisch abgeschafft wurde. Und: Es gibt bei uns noch eine vielfältige Buch- und Presselandschaft. Setzt sich der gegenwärtige Trend fort, wird das A4-Kopierpapier für den heimischen Drucker bald wohl wieder so grau wie Klopapier zu DDR-Zeiten.