© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/22 / 22. Juli 2022

Leserbriefe

Zu: „Alles nochmal hinterfragen“ von Gerhard Papke, JF 29/22

Ein drittes Mal die Kosten von Versailles

Wenn wir demnächst Putins Rohstoffe über den Weltmarkt zum doppelten Preis wie bisher einkaufen müssen, wird ja nicht nur Strom und Heizen teurer, sondern unsere Industrie, soweit sie die Mehrkosten nicht mehr tragen kann, macht zu oder geht ins Ausland zu günstigeren Energiepreisen. Ein gewaltiger Schaden droht. Bei der Einführung des Euro titelte die Presse in Frankreich: Wie ein Versailles, nur ohne Krieg. Wir müssen sehr aufpassen, daß wir mit unserer Energiepolitik uns nicht ein drittes Mal Kosten wie Versailles aufbürden.

Detlef Moll, Nümbrecht




Zynismus, oder auch: Verläßlichkeit

Internationales Recht und das Prinzip einer regelbasierten Friedensordnung zu feiern sowie ein zweischneidiges Schwert wie Wirtschaftssanktionen als etwas Sinnvolles zu bezeichnen – in welcher Welt lebt der Autor? Wozu Verträge? Zwei Sprichworte kennzeichnen die Einstellung von Wirtschaft und Politik zum Vertrag: „Vertrag kommt von vertragen“ und „Ein guter Vertrag kann in der Schublade verschwinden“. Mit anderen Worten: Für den Erfolg einer Beziehung ist das Verhältnis der Vertragspartner wichtig. Wenn dieses gestört ist, hilft der Vertrag auch nicht. Mit seiner Einhaltung von vertraglichen Abmachungen und ja, auch mit seinem Angriff auf die Ukraine, beweist Rußland, was eine Großmacht ausmacht: Verläßlichkeit.

Peter Jaensch M.Ed., Dresden






Zu: „Feigheit der Wissenschaft“ von Vincent Steinkohl, JF 28/22

Neurologie und Endokrinologie

Bezug nehmend auf Ihre Berichterstattung über den abgesagten Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht haben Sie Professor Ulrich Kutschera interviewt (JF-TV), den ich kritisch sehe hinsichtlich der behaupteten Verbindung von Homosexualität und Pädophile. Bezüglich seines Bedürfnisses, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die biologischen Geschlechter immer wieder öffentlich zu kommunizieren, kann ich Kutscheras inhaltliche Argumente aber sehr gut nachvollziehen. Natürlich gibt es nur zwei Geschlechter. Das heißt aber nicht, daß es keine Ausnahmen wie zum Beispiel Intersexualität und Geschlechtsdysphorie gibt. Das stellt er auch gar nicht in Abrede. Ihn fuchst, daß erstens immer mehr Menschen diese biologischen und naturwissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse nicht nur ignorieren und lieber das hören und für bare Münze nehmen, was Transaktivisten seit Jahren als Credo ausgeben (und was mittlerweile in die Politik und damit bis zum Gesetzgeber vorgedrungen ist), und zweitens, daß die Naturwissenschaften mittlerweile sogar offen angefeindet werden und ihren Erkenntnissen die Beweiskraft abgesprochen wird, weil diese nicht in das queere Weltbild passen. Deutschland als Land der Dichter und (Nicht-)Denker – Popper, Hegel und Arendt werden sich wohl im Grab umdrehen, ebenso die Vertreter der ersten Frauenrechtsbewegung und überhaupt alle Menschen, die für mehr Vernunft und Empathie in Zeiten der Herrschaft grober Irrationalität oder Ideologie gekämpft haben. 

Ich selbst bin ein Transmann, ich würde nie behaupten, ein biologischer Mann zu sein oder sein zu wollen. Ja, ich fühle, daß ich männlich bin, aber immer noch weibliche Merkmale habe, die zum Großteil meiner Biologie geschuldet sind. Ich bin in einem Körper mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen, mit entsprechenden Chromosonen, entsprechendem Hormonhaushalt, entsprechendem Skelett, entsprechender Sozialisation und Geschlechterrolle geboren und aufgewachsen. Diese Merkmale passen nicht zu meinem inneren Ich, daher strebe ich die Angleichung an das männliche Geschlecht an – Angleichung wohlgemerkt, nicht Umwandlung, das ist nämlich mit Stand der heutigen Medizin noch nicht möglich. Die Angleichung ermöglicht mir die massive Linderung meines jahrelangen Leidensdrucks. Sie führt zu meiner gewünschten Virilisierung, mein Körper vermännlicht, was ich sehr begrüße. Die Testosterongaben verändern mich aber auch psychovegetativ, ich bin ausgeglichener, aber auch direkter und selbstbewußter geworden. Ich werde ein Mann, juristisch und soweit wie möglich auch körperlich, und ich werde als Mann wahrgenommen – endlich! Auch wenn ich biologisch gesehen immer weibliche Anteile haben werde, aber das ist nicht das Entscheidende für mich. Mein Gesamtpaket als Person und Persönlichkeit stimmt, das ist für mich das Wichtigste. – Medizinisch betrachtet wissen wir noch nicht genau, warum manche Menschen eine Geschlechtsdysphorie haben, es muß weiter geforscht werden, sowohl die Neurologie als auch die Endokrinologie dürften dabei eine größere Rolle spielen, ebenso natürlich die Psychologie.

Ian Selhorst, Castrop-Rauxel




Woken-Kuckucksheim: Es regnet Interessen

Vielen Dank, daß Sie das Thema um den Transgender-Hype immer wieder aufgreifen (zuletzt JF  23/22). Bei Kindern mit entsprechendem Elternhaus möchte ich hoffen, daß sie von der Indoktrination zum Umwandlungswahn abzubringen sind, bei Jugendlichen habe ich Zweifel. Wir werden ideologisch überschüttet mit Interesssen von Minderheiten, die sich selbst damit keinen Gefallen tun. Zum Glück gibt es viele – zu viele? –, die sich um psychisch instabile Menschen kümmern. 

Annegret Tendeler-Baehrecke, Hannover






Zu: „Das Ende des einfachen Friedens“ von Thorsten Hinz, JF 28/22

Prophetischer Titel von Thilo Sarrazin

Diese Bestandsaufnahme des heutigen Deutschlands könnte treffender und ausführlicher nicht beschrieben sein! Es ist leider so, wie Thilo Sarrazin es schon 2010 in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ prophezeit hat.

Dr.-Ing. Helmut Schulz, Bockhorn






Zu: „Freund-Feind-Denken“, JF 28/22

Eklatantes Sicherheitsrisiko Baerbock

Die moralische Selbstapprobation ist insbesondere ein Merkmal der Grünen und der abgeleitete, auf den „Schutz“ der Lebenswelt bezogene moralische Überlegenheitswahn gleichsam der Gründungsmythos ihrer Partei. Der Wahn erzeugt Wahnwitz. Etwa wenn Baerbock (so im Fernsehen bei „Anne Will“ am 1. Mai 2022) wichtigkeitstrunken und stimmbebend erklärt, man werde Rußland durch ein Gas- und Ölembargo so schädigen, „daß es nicht wieder auf die Beine kommt“. Diese Absichtserklärung ist nicht nur infantil, sondern auch gefährlich. Es muß daher in aller Deutlichkeit gesagt werden: derartige Fehlleistungen einer intellektuellen Totalüberforderung stellen – wie uns gerade demonstriert wird – ein eklatantes Sicherheitsrisiko für unser Land und unser Volk dar und lassen keinen Zweifel daran, daß ihre Verursacher psychiatrisch exkludiert werden sollten.

Peter Pietschmann, Blaustein






Zur Meldung: „Kritik an Englisch als zweiter Amtssprache“, JF 28/22

Westerwelle von einst endgültig abgeflaut

Nun möchte die FDP Englisch als zweite Amtssprache einführen. Das ist ein fundamentaler Eingriff in die Rechtsstruktur des Staates, da die englische und die deutsche Sprache in der Übersetzung nicht überall deckungsgleich sind. Dies gilt explizit für den juristischen Bereich, wo es zu Rechtsverschränkungen kommen könnte. Das bedeutet, bei zwei Amtssprachen wären unterschiedliche Rechtsauslegungen möglich. Die FDP begründet ihren Schritt ausschließlich mit Zuwanderungsfragen. Das könnte wohl wieder einmal ein sonst so viel gescholtener deutscher Sonderweg sein. Aus dem Elysee-Palast in Frankreich zum Beispiel ist bisher nicht zu vernehmen, daß außer Französisch nun auch Englisch als zweite Amtssprache eingesetzt wird. Auch haben die Engländer offenbar nicht vor, Französisch als zweite Amtssprache einzuführen, um französisch sprechenden Einwanderern entgegenzukommen. Auch aus anderen Staaten ist nichts dergleichen bekannt. Um die Bürokratie nicht zu überfordern, Rechtsverbindlichkeit zu gewährleisten und Einwanderung zu beschleunigen, muß die FDP wohl ihre Doppeldeutigkeit aufgeben und Nägel mit Köpfen machen. Ihre Forderung müßte dann lauten: Englisch als offizielle Amtssprache einzuführen und Deutsch als unverbindliche Zweitsprache insbesondere für den ländlichen Raum beizubehalten.

Roland Grassl, Bühl






Zum Forum-Beitrag: „Ihr werdet sein wie Gott“ von Reiner Osbild, JF 28/22

Das Märchen vom Fischer und seiner Frau

Dem Autor ist eine zutreffende Beschreibung der gesellschaftlichen Situation in unserem Land gelungen. Eine extreme Expansion des Ego unserer Eliten begnügt sich nicht mehr mit der einfachen politischen Macht. Nachdem die Justiz vereinnahmt und die Wissenschaft mit wenig Ausnahmen diszipliniert wurde, stehen die Türen für weitere Manipulationen offen. Sich selbst überschätzende Politiker und Konzernbosse glauben in ihrer grenzenlosen Arroganz an ihre Göttlichkeit, was jede ihrer Entscheidungen per se rechtfertigt und jede andere Meinung, jeden Widerspruch als ketzerisch verdammt und bestraft. Ihre eingebildete Erleuchtung erleben sie als den Widerschein der Flammen der Scheiterhaufen, die symbolisch von ihnen längst entfacht wurden. 

Mir fällt dabei das Märchen vom Fischer und seiner Frau ein. Die Ansprüche und Forderungen der Frau an den Zauberfisch wachsen ebenso expansiv wie die totalitäre Machtausdehnung dieser kleinen Gruppe von Besessenen. Auch im Märchen will sie schließlich wie Gott sein, und diese Forderung versetzt beide wieder in ihren alten „Pißpott“. Der Pißpott der heutigen Zivilisation ist das Mittelalter, wenn nicht das Inferno. Es löst das Problem mit der Vernichtung großer Teile der Menschheit. Uns, als nicht aktive Mitspieler, kommt dabei die Rolle des Fischers zu, der seine Frau zwar warnt und ihre Gier nicht gutheißt, aber sich dennoch aus Opportunismus, Bequemlichkeit und Feigheit nicht wirksam widersetzt und damit eine Mitschuld übernimmt.

Dr.-Ing. Thilo Gunter Bechstein, Mönkebude






Zu: „Ein Alptraum für die Industrie“ von Jörg Fischer, JF 28/22

Gute Pipeline, böse Pipeline

Das ist schon erstaunlich , Gas nur deshalb nicht zu wollen, weil es aus einer anderen Leitung kommt. Ich verstünde ja, wenn man sagt: „Wir wollen überhaupt kein Gas mehr aus Rußland.“ Dann nimmt man soviel Gas wie kommt und bezahlt es nicht, weil man damit wie jeder weiß, den Gegner am meisten schädigt. Dann hat der geliefert und bleibt auf seinen Kosten sitzen. Aber das Gas aus der einen Leitung dringend vermissen, sogar die kanadische Blockade dafür aufheben und gleichzeitig das gleiche Gas aus einer anderen Leitung nicht wollen? Die Logik dahinter erschließt sich mir nicht. Da scheint die eine Pipeline böse zu sein und die andere brav. Man weiß es nicht: entweder sitzt in Nord Stream 2 Putin drin oder ein amerikanischer Präsidentenstöpsel.

Michael Maresch, München




Morgenthaus Erben bei Rot-Grün

Ich vermute, in Ludwigshafen (BASF) laufen notgedrungen folgende Planungen wegen der geplanten Energie-Mangelwirtschaft: Finales Abstellen von Gas-intensiven Produktionen wie der Düngemittelherstellung und Verlagerung der Produktion weg aus Deutschland, zum Beispiel nach China in den neuen Super-Produktionsstandort in Nanjing. Deutschland wrackt unter der Politik von Rot-Grün seine Industrie ab – da diese Produktionen nie wieder zurückkommen werden –, die größten Märkte der Zukunft sind eh in Asien! Es sieht tatsächlich danach aus: ein Morgenthau-Plan reloaded unter Rot-Grün!

Dr. Christian Gerth, Haltern am See






Zu: „Wo Krise ist, bestimmen wir“ von Paul Leonhard, JF 27/22

Fast schon wie beim Fernsehfunk der DDR

Wer diesen Beitrag über das deutsche „Staatsfernsehen“ gelesen hat, muß unweigerlich zu dem Schluß kommen, daß die Fernsehzuschauer ihre vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk versuchte Verblödung auch noch mit ihrem eigenen Geld (Gebühren) bezahlen müssen. Da werden Hunderte Millionen Euro für sinnlose Serien, Filme und Musikshows (Unterhaltungsbereich) zum Fenster rausgeworfen, wo hauptsächlich Leute agieren, die einer geregelten, nutzvollen Arbeit lieber aus dem Weg gehen. Der Kostenanteil für diesen Schrott ist um ein Vielfaches höher als der für Nachrichten, Magazine, Dokus und Reportagen. ARD und ZDF gleichen nach 30 Jahren Einheit fast dem Fernsehfunk der DDR. Besonders als Ostdeutscher fühle ich mich bei vielen Sendungen vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Kloake versetzt.

Gerd Bodner, Halle an der Saale