© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Meloni nimmt Fahrt auf
Italien: Ein neues Mitte-Rechts-Bündnis könnte die Neuwahlen gewinnen
Francesco Giubilei

Die Krise der Regierung Draghi und sein Rücktritt als Ministerpräsident Mitte Juli lösten ein Erdbeben in der italienischen Politik aus. Staatspräsident Sergio Mattarella blieb nichts anderes übrig, als für den 25. September Neuwahlen auszurufen. Den wichtigsten Umfragen zufolge liegt das Bündnis „Mitte-Rechts“ vorne. Eine Koalition aus Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia könnte also tatsächlich die nächste Regierung bilden.

Vieles hängt davon ab, wie sich die Linke bei den Wahlen präsentieren wird. Das derzeitige italienische Wahlgesetz (Rosatellum) begünstigt Koalitionen, insbesondere in den sogenannten uninominalen Wahlkreisen, in denen ein Mehrheitssystem gilt. Es wird derjenige gewählt, der auch nur eine Stimme mehr erhält. Wenn es der Linken gelingt, eine große Koalition zu bilden, hat sie somit bessere Chancen, diese Wahlkreise zu erobern.

Nur: die Linke ist bis heute tief gespalten. Die Hypothese des sogenannten „breiten Feldes“ – ein Bündnis zwischen den Sozialdemokraten (PD) und der Fünf-Sterne-Bewegung – scheiterte bereits in dem Moment, als die Fünf Sterne die Regierungskrise mit Mario Draghi auslösten.

Deshalb versucht die PD, immer noch die wichtigste linke Partei in Italien, ein neues Bündnis insbesondere mit Carlo Calenda, dem Vorsitzenden der reformistischen Aktionspartei, einzugehen. Letzterer, seit 2019 Abgeordneter des Europäischen Parlaments, strebt derzeit jedoch andere Wege an. Er will ein zentristisches Bündnis zusammen mit dem ehemaligen Premierminister Matteo Renzi (Italia Viva) und anderen Minderheitenformationen schaffen.

In diesem Fall würde sich die Linke in drei Parteien aufspalten: die Fünf-Sterne-Bewegung, die PD und die Zentristen, was zur Folge hätte, daß sie die meisten der nicht nominellen Wahlkreise verlieren und den Weg für einen Sieg der rechten Mitte ebnen würde. Selbst wenn die Linke eine größere Koalition mit der PD und Calenda eingehen würde, wäre „Mitte-Rechts“ immer noch klar im Vorteil.

In der vergangenen Woche fand ein Gipfeltreffen zwischen den drei Koalitionsführern Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia), Matteo Salvini (Lega) und Silvio Berlusconi (Forza Italia) statt, bei dem nicht nur die Aufteilung der Wahlkreise festgelegt wurde. Die Partei, die die meisten Stimmen erhält, soll den Premierkandidaten stellen. Giorgia Meloni ist im Vorteil. Nach der letzten Umfrage von Ipsos für den Corriere della Sera liegen die Fratelli d’Italia bei 23,3 Prozent, gefolgt von der Lega mit 13,5 Prozent und Forza Italia mit etwa neun Prozent. Die FdI-Vorsitzende erklärte, sie sei bereit zu regieren und setze sich ebenso wie die anderen Parteivorsitzenden dafür ein, das Wirrwarr um die Wahlkreis-Kandidaten, die bis zum 22. August präsentiert werden müssen, zu lösen.

Doch selbst wenn die Mitte-Rechts-Parteien die Wahlen gewinnen, stehen bereits die ersten Hürden vor der Tür. Alle Parteien sind sich bewußt, daß sie aufgrund der hohen Energiepreise, der komplexen internationalen Lage durch den Ukraine-Krieg und einer ungünstigen Wirtschaftslage mit galoppierender Inflation und steigenden Rohstoffkosten vor einem besonders schwierigen Herbst stehen. Hinzu kommt das Problem der italienischen Staatsverschuldung.

Italien hat zudem seit mehreren Jahrzehnten mit einem demographischen Winter und sinkenden Geburtenraten zu kämpfen. Um den Geburtenrückgang auszugleichen, schlagen manche bereits vor, mehr Einwanderer aufzunehmen, ohne zu berücksichtigen, daß die Zahl der Ausländer in Italien in den letzten Jahren exponentiell gestiegen ist. Das massive Problem der irregulären Einwanderung betrifft vor allem Süditalien, wo täglich Hunderte von Migranten ankommen. Zusammen mit der inneren Sicherheit ist dies ein zentrales Thema im Wahlkampf, auf das Mitte-Rechts bekanntlich stark setzt.

Auf der anderen Seite drängen vermehrt auch Umwelt- und Klimafragen in die Öffentlichkeit, was die Linke mittlerweile als ihr alleiniges Steckenpferd betrachtet, sowie die Debatte über die Europäische Union. Ein Austritt aus der EU oder dem Euro steht schon seit einiger Zeit nicht mehr auf der Agenda der italienischen Mitte-Rechts-Parteien. Es gibt eine kleine Partei namens Italexit, die aber nicht an der Koalition beteiligt ist. Doch der Wunsch nach einer Reform der derzeitigen EU ist insbesondere bei der Lega und den Fratelli d’Italia groß. Ihnen schwebt ein konföderales und volksnahes Europa vor, eine weitere Zentralisierung der Kompetenzen in Brüssel lehnen sie strikt ab.

Die Linke nutzt derweil ihre altbekannten Mittel: In jedem Wahlkampf in Italien beschwört sie die „faschistische Gefahr“ herauf und stellt die italienische Rechte als nostalgisch, rückschrittlich und rechtsextrem dar. Natürlich wurde das Narrativ auch jetzt wieder hervorgeholt. In den progressiven Medien gilt etwa der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Enrico Letta, als vertrauenswürdig und seriös in bezug auf die internationalen Beziehungen, während Giorgia Meloni stets als unzuverlässig, isoliert und gefährlich beschrieben wird.

Es handelt sich um ein Muster, das sich bereits in der Vergangenheit bei Berlusconi wiederholt hat. Legendär ist ein Artikel der kommunistischen Zeitung il manifesto mit der Überschrift „Der schwarze Ritter“. Dann folgte Salvini. Nun ist Meloni an der Reihe. Leider folgen auch viele internationale Medien diesem Narrativ. Sie wollen und werden nie verstehen, weshalb die rechten Kräfte in Italien so stark wachsen.

Da wäre erstens die Fähigkeit, zu den schwächeren und abgehängten Klassen zu sprechen, die von der Linken eiskalt im Stich gelassen wurden; zweitens die Wahrung des nationalen Interesses und drittens der Wille, dem italienischen Volk und seinen Wählern nach technokratischen Regierungen und Mehrheiten nach den Wahlen endlich ihre Stimme zurückzugeben.Wer also wird die Wahlen in Italien gewinnen? Wenn es der rechten Mitte gelingt, geeint zu bleiben und dem Land ein ernsthaftes Programm vorzulegen, wird sie in der Lage sein, Italien nach elf Jahren wieder zu regieren.






Francesco Giubilei ist Präsident der konservativen Tatarella-Stiftung und Vorsitzender der italienischen Denkfabrik Nazione Futura.