© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Christina Ellingsen. Der Feministin droht Haft, weil sie sich weigert, einen transsexuellen Mann eine Frau zu nennen.
Demokratie in Gefahr
Auðunn Arnórsson

In Norwegen steht die Meinungsfreiheit unserer westlich-liberalen Gesellschaften auf dem Prüfstand: Die Staatsanwaltschaft untersucht „hetzerische“ Tweets der Feministin Christina Ellingsen. Sollte es zu einem Verfahren und Schuldspruch kommen, drohen der Leiterin der norwegischen Sektion von Women’s Declaration International (WDI), einer 2019 in Großbritannien gegründeten und nach eigenen Angaben in 42 Ländern präsenten Feministengruppe, bis zu drei Jahre Haft. In ihrem Konflikt mit Christine Marie Jentoft, einem Mann, der eine lesbische Frau sein will und die Landesvereinigung für lesbische und homosexuelle Emanzipation (FRI) vertritt, hatte Ellingsen getwittert: „Warum lehrt FRI, Männer könnten Lesben sein? Ist das nicht Konversionstherapie?“ und später zudem erklärt, wie „verrückt“ die Gruppe sei. Es folgte eine Twitter-Sperre wegen „Haßrede“. Außerdem beschuldigte Amnesty International Norwegen die Feministin der „Belästigung“, da sie Jentoft im nationalen Fernsehen vorgeworfen hatte: „Du bist ein Mann! ... Die Vorstellung zu normalisieren, Männer könnten Mütter sein, ist eine Diskriminierung von Frauen.“ 

Die Anklagen gegen sie, so Ellingsen, häten allesamt damit zu tun, daß 2021 Geschlechtsidentität in die norwegischen Strafgesetze zur Beleidigung und Haßkriminalität aufgenommen wurden, und sie erklärt, warum ihr Fall solche Bedeutung hat: „Dies ist Neuland in Norwegen, daher ist das Ergebnis der Ermittlung wichtig!“ Drei mögliche Entscheidungen der Staatsanwaltschaft sieht Ellingsen voraus: Erstens sie werde angeklagt und vor Gericht gestellt. Zweitens der Fall werde mangels Beweisen nicht weiterverfolgt. Drittens wegen fehlender Hinweise auf illegale Handlungen werde er ganz eingestellt. 

„Mein ganzes Leben lang links und Radikalfeministin, werde ich von vielen“ nun als „Faschistin“ beschimpft.

Allerdings wurde 2021 bereits ein Norweger wegen „Beleidigung“ und „Verwechslung“ eines Trans-Mannes auf Facebook zu 21 Tagen Haft und rund 1.500 Euro Geldstrafe verurteilt. Und Elisabeth Engebretsen, Gender-Professorin und eine Sprecherin der etablierten norwegischen LGBTI- und Frauenrechtsorganisationen, nannte Ellingsens Aussagen eine „komplexe Gefahr für die Demokratie“, denn sie repräsentierten „einen reaktionären populistischen Rückfall für grundlegende Menschenrechtsprinzipien“.

Auch sonst bekommt die etwa 40jährige Universitätslektorin aus dem Fachbereich Bio-Technologie, deren Vertrag aber nicht erneuert wurde nachdem sie sich mit der Trans-Lobby anlegte, einiges zu hören: In einem Interview mit dem US-Fernsehen klagte Ellingsen, obwohl „mein ganzes Leben lang links und Radikalfeministin, werde ich von vielen“ nun als „Faschistin“ beschimpft und „mit jemandem gleichgesetzt, der zu einem Holocaust aufruft“. Frauen, so kritisierte sie an anderer Stelle, seien in Norwegen nicht vor „Haßrede“ geschützt, dagegen „Männer, die behaupten, weiblich und lesbisch zu sein“, sogar doppelt, nämlich „sowohl wegen ihrer Geschlechtsidentität als auch wegen ihrer sexuellen Orientierung“. 

Bas Tichelaar, ein Sprecher der internationalen konservativen Petitionsorganisation CitizenGO, sekundierte Ellingsen: Die Vorwürfe gegen sie seien „eine Taktik der radikalen Linken, jede Kritik an ihren Ideen weltweit zu zensieren. Diese Änderung der Definition von Redefreiheit gefährdet die Meinungsfreiheit. Wenn sie aber unterdrückt wird, wird sich das politische System in eine totalitäre Tyrannei verwandeln.“