© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Mehr als ein Bauchgefühl
Lebensschutz: Die Initiative 1000plus legt die Bilanz ihrer Beratungstätigkeit vor / Angriffe von Linksextremen
Sandro Serafin

Für den Lebensschutz sieht es derzeit in Deutschland nicht gut aus: Die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen (Paragraph 219a des Strafgesetzbuchs) haben die Ampel-Fraktionen mit Unterstützung der Linken bereits beschlossen – „ein großartiger Tag“, jubelte Bundesfamilienministerin Lisa Paus Ende Juni im Bundestag. Die grüne Ministerin läßt keinen Zweifel daran, daß sie als nächstes auf den Paragraphen 218, die Strafbarkeit von Abtreibungen selbst, zielt. 

„Immer klarer“ zeichne sich die Bestrebung ab, Schwangerschaftsabbrüche sogar bis zur Geburt zu erlauben, sagt auch das Projekt 1000plus (JF 30–31/21). Es spricht von „dem radikalsten organisierten Angriff auf schwangere Frauen in Not, ihre Partnerschaften und Familien und auf das Leben ihrer ungeborenen Kinder in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. 1000plus setzt dem bereits seit 2009 mit seiner spendenbasierten Arbeit etwas entgegen. Die vom christlichen Glauben motivierte Initiative will Beratung für möglichst viele schwangere Frauen in Konfliktsituationen ermöglichen, unterscheidet sich dabei aber von staatlich anerkannten Beratungsstellen wie denen, die unter den Dächern von Donum Vitae oder Pro Familia agieren. 

Zu deren Aufgaben gehört nicht zuletzt, Beratungsscheine auszustellen, die dann gesetzliche Voraussetzung dafür sind, eine Abtreibung straffrei durchführen zu lassen. 1000plus und der dahinterstehende Beratungsverein profemina verteilen solche Scheine aus Gewissensgründen nicht; die Organisation sieht es als ihre Aufgabe an, die Frauen mit dem Ziel eines Ja zum Kind zu beraten, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und ihnen unter die Arme zu greifen, durch psychologische Begleitung, ganz praktisch oder auch finanziell. 

Als 1000plus vor mehr als zehn Jahren startete, war das Ziel auch quantitativ deutlich bemessen: Für mindestens tausend Schwangere sollten jährlich Informationen bereitgestellt werden – „1000plus“ eben. Inzwischen liegt die Betonung immer stärker auf dem „plus“. Denn die Zielmarke von tausend beratenen Frauen hat das Projekt im vergangenen Jahr um mehr als das 50fache übertroffen: 52.674 Frauen seien insgesamt beraten worden, schreibt profemina im Jahresbericht für 2021, der jetzt veröffentlich wurde. Mit dieser Anzahl, darauf weist der Verein nicht ohne Stolz hin, könnte ein ganzes Fußballstadion gefüllt werden. Es seien „so viele Frauen beraten worden wie noch nie“, und erstmals überhaupt habe man die Hürde von 50.000 übersprungen. Profemina-Geschäftsführer Kristijan Aufiero, ein studierter Politikwissenschafter, Erfinder und Leiter von 1000plus, spricht von einer „bedeutenden Wegmarke in der Geschichte“ der Initiative.

„Samen für eine Kultur des Lebens gepflanzt“

1000plus stellt sich in seiner Beratungstätigkeit ganz auf die Anforderungen der Frauen ein, deren Durchschnittsalter zuletzt 26 Jahre betrug. Es will „Beratungstechnologie auf der Höhe der Zeit“ liefern. Konkret bedeutet das: 94 Prozent aller Beratungen fanden im vergangenen Jahr digital statt, dagegen nur 0,7 Prozent per Telefon. Auch durch ein paar Klicks auf der Internetseite von profemina finden Frauen bereits Informationen. 

Die meisten beratenen Frauen befanden sich nach eigener Auskunft aus biographischen Gründen in einem Schwangerschaftskonflikt, das heißt, das Kind schien ihnen nicht in ihre Lebensplanung zu passen. An zweiter Stelle folgten Partnerschaftsprobleme und an dritter Stelle die Angst, überfordert zu sein. Die Berater beanspruchen eine überzeugende Erfolgsquote für sich: Demnach gaben rund zwei von drei Frauen, die der Initiative nach einer Beratung im Jahr 2021 ihre Entscheidung mitteilten, an, sich für das Kind entschieden zu haben, der andere Teil habe eine Abtreibung vornehmen lassen. Inwiefern diese Zahlen durch unterschiedliches Rückmeldeverhalten bei den Frauen verzerrt sein könnten, ist unklar.

Das gilt auch für eine hauseigene Evaluation, an der gut 1.300 Frauen teilgenommen haben. Von ihnen empfanden 69 Prozent Antworten, die sie von 1000plus bekamen, als Hilfe, und 88 Prozent sahen auch ihre Entscheidungsfreiheit gewahrt. Eher nicht oder überhaupt nicht mit der Beratung zufrieden sollen sich demnach nur vier Prozent gezeigt haben. Denselben Zahlen zufolge gab zudem keine einzige Frau, die sich für die Schwangerschaft entschied, an, dies nachher bereut zu haben.

Bei 1000plus empfindet man diese Zahlen auch gerade deswegen als Bestätigung, weil die Organisation immer wieder Angriffen von links aus Medien und Politik ausgesetzt ist. Diese sprechen bisweilen von einer „Fake-Beratungsstelle“ und erheben den Vorwurf, profemina und 1000plus setzten Frauen unter Druck oder führten sie in die Irre. Extremisten verübten bereits mehrere Anschläge mit Schmierereien, so im vergangenen Jahr erneut auf die profemina-Geschäftsstelle in München. 2019 forderten die Berliner Sozialdemokraten nicht weniger als die Schließung des Beratungszentrums am Kurfürstendamm in der Hauptstadt.

Daher klingt es auch kämpferisch, wenn Kristijan Aufiero nun von einem „tausend-, ja hunterttausendfachen Samen einer Kultur des Lebens“ spricht, den 1000plus gepflanzt habe und den „niemand mehr rückgängig“ machen könne. Bei dem Erreichten stehenbleiben möchte das Projekt nicht. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, auch international immer präsenter zu werden. Das ambitionierte Ziel: das „größte Beratungsangebot für Schwangere in Not weltweit“ zu werden.