© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Rom rüffelt die Reformer
Katholische Kirche: In einem Schreiben setzt der Vatikan dem „Synodalen Weg“ deutliche Grenzen / Gegen national-deutsche Alleingänge
Christian Vollradt

Auch mehr als 500 Jahre nach Martin Luthers Wittenberger Thesenanschlag finden Forderungen deutscher Katholiken nach innerkirchlichen Veränderungen immer noch großen Nachhall im Blätterwald. Um so größer war nun das Echo, als sich jüngst Rom höchstselbst zum Thema äußerte und quasi den gegenreformatorischen Paukenschlag lieferte. 

Zur „Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes und der Ausübung des bischöflichen Amtes“, so der Heilige Stuhl, müsse man klarstellen: Der von den deutschen Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angestoßene „Synodale Weg“ sei „nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“. Weiter heißt es: „Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden.“ Wünschenswert sei dagegen, „daß die Vorschläge des Weges der Teilkirchen in Deutschland in den synodalen Prozeß, auf dem die Universalkirche unterwegs ist, einfließen mögen, um zur gegenseitigen Bereicherung beizutragen“, so der etwas versöhnlichere Schluß des kurzen Schreibens.

„Haben keine Vollmacht, diese Ordnung zu verändern“

Während die linkskatholische Bewegung „Wir sind Kirche“ den (namentlich nicht gekennzeichneten) Brief als „harsche und nicht gerechtfertigte Kritik“ bezeichnete, zeigte sich das Zentralkomitee nach außen eher wenig beeindruckt. Man wolle den Reformprozeß fortführen, die nächste Synodalversammlung finde planmäßig Anfang September statt, so die ZdK-Vorsitzende Irme Stetter-Karp.

Dem Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke zufolge war die Wortmeldung aus Rom nicht überraschend. Laien seien für den Vatikan ohnehin in Fragen der Lehre „keine Verhandlungspartner“, sagte er der Rheinischen Post. Das könne man „weltfremd, arrogant, mißachtend oder unverschämt finden, aber man sollte wissen, daß es katholisch ist“, konstatierte der Theologe. Beobachter sind sich sicher, daß das Papier weniger auf die ohnehin überzeugte „Reform-Fraktion“ abzielte, sondern eher auf diejenigen Diözesan- und Weihbischöfe, die noch schwankten. Sie könnten sich nun auf das „Stop“ aus Rom berufen und so bei einer möglichen Abstimmung über einzelne Reformen eine Zweidrittelmehrheit in der Bischofskonferenz verhindern.

Zustimmend zum Rüffel aus Rom äußerte sich der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Der Konservative meinte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, die synodal bewegten deutschen Katholiken gäben sich einer Illusion hin. Die von ihnen gewünschte Reform habe keinerlei Chance auf Umsetzung: „Der Grund dafür ist nicht, daß wir hier in Rom diktatorisch auf unseren Überzeugungen beharren oder Macht ausüben wollen. Der Grund ist, daß die Kirche von Jesus Christus eingesetzt und entworfen worden ist. Wir haben keine Vollmacht, diese Ordnung zu verändern“, so die Überzeugung des einstigen Regensburger Oberhirten. Daher sollten seiner Meinung nach auch das ZdK und die Bischofskonferenz nicht weiter den Eindruck vermitteln, sie könnten in einem „nationalen Prozeß“ die katholische Weltkirche „nach ihrem Gutdünken umkrempeln“. 

Dabei ist auffällig, daß im Schreiben des Heiligen Stuhls überhaupt keine inhaltliche Kritik an einzelnen Vorstößen des „Synodalen Weges“ geübt wird. Andernfalls wäre es auch kaum schlüssig, daß dessen Teilnehmer ja geradezu aufgefordert werden, ihre Vorschläge in die Weltkirche einzubringen. Die Sorgen Roms scheinen sich also eher auf das Formale zu richten, auf die Abwehr eines nationalen deutschen Sonderwegs – wie er vor 500 Jahren in Luthers Reformation mündete oder, deutlich kleiner, vor rund eineinhalb Jahrhunderten nach dem Ersten Vatikanischen Konzil in die Gründung der Altkatholischen Kirche.   

Ins Leben gerufen hatten den „Synodalen Weg“  2019 die Laienvertretung ZdK und die Deutsche Bischofskonferenz. In dem Gremium geht es unter anderem um Konsequenzen aus den Fehlern im Umgang mit den Fällen von sexuellem Mißbrauch in der Kirche, um grundsätzliche Fragen der Sexualmoral, die Zukunft des priesterlichen Pflichtzölibats und um den Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern.