© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Ländersache: Schleswig-Holstein
Vorsicht, bzzzzzzz bzzzzzzz!
Peter Freitag

Sie sehen ein bißchen so aus wie die klobigen Plastikpistolen, mit denen sich Kinder zum Spaß kleine Schaumstoffpfeile um die Ohren feuern. Allerdings sind sie nicht ganz so harmlos wie Spielzeug, diese Apparate mit der sperrigen Bezeichnung „Distanzelektroimpulsgeräte“, kurz DEIG. Besser bekannt sind sie unter dem Markennamen Taser. Drückt man diese nichttödliche Waffe ab, wird die Zielperson von dünnen Drähten getroffen und durch Elektroschocks mit mehreren tausend Volt binnen Sekunden handlungsunfähig. 

In Schleswig-Holstein startet diese Woche ein Pilotprojekt, bei dem Streifenpolizisten in Neumünster und Ahrensburg mit solchen Tasern ausgestattet werden. Im Innenministerium erhofft man sich so Erkenntnisse darüber, ob deren Einsatz der Deeskalation und dem Selbstschutz der Beamten dienlich ist. Bisher gibt es diesbezüglich bundesweit keine einheitliche Praxis, es herrscht der typische Flickenteppich an Regelungen. In Rheinland-Pfalz, in Hessen und im Saarland etwa sind flächendeckend Einsatzfahrzeuge aller Polizeiinspektionen mit Tasern ausgerüstet. In Bremen sprach sich die rot-grün-rote Mehrheit der Bürgerschaft gegen eine allgemeine Einführung aus, dort bleibt die Nutzung den Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) vorbehalten. Ebenso verfahren Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Auch in Niedersachsen dürfen SEK-Polizisten „tasern“; kurioserweise übrigens nicht nur, wenn sie im Kommando, sondern auch wenn sie zur Unterstützung ihrer „normalen“ Kollegen im Streifendienst eingesetzt werden. 

In Bayern gehören die nichttödlichen Waffen zur Ausrüstung der Bereitschaftspolizei. Nordrhein-Westfalen hatte bereits bis zum vergangenen Jahr ein Pilotprojekt initiiert und Beamte in mehreren Großstädten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mit den Elektroschock-Pistolen ausgestattet. Mittlerweile sind mehr als 1.300 Geräte im Einsatz, die Gesamtkosten für deren Anschaffung sowie das Training der Schutzleute betragen einer Information des Düsseldorfer Landtags zufolge 8,5 Millionen Euro. Während des Testlaufs hätten die teilnehmenden Polizisten 123mal den Einsatz des Tasers angedroht und 31mal tatsächlich abgedrückt. 

Mit der versuchsweisen Taser-Einführung begonnen hatte die Bundespolizei an mehreren Brennpunkten wie dem Hauptbahnhof von Frankfurt am Main. Vor allem die Deutsche Polizeigewerkschaft macht sich für die Geräte stark. Denn diese schlössen die Lücke zwischen Schlagstock oder Pfefferspray einerseits und dem Einsatz der – möglicherweise tödlichen – Dienstpistole andererseits. Erst vergangene Woche hatten in Berlin Beamte einen randalierenden Drogensüchtigen anschießen müssen; für die örtliche Polizeigewerkschaft ein erneuter Beweis, wie wichtig und sinnvoll die flächendeckende Ausstattung mit Tasern in der Hauptstadt wäre. Kritiker, meist aus dem linken politischen Spektrum, wenden ein, für Personen mit Herzschrittmacher oder solche unter Drogeneinfluß könne auch ein Stromschlag lebensgefährlich werden. Schleswig-Holsteins Innenministering Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ist jedoch sicher, daß die Polizei im hohen Norden verantwortungsvoll mit der neuen, durch gelbe Farbe extra kenntlich gemachten Waffe umgehen wird.