© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Prügeln statt Planschen
Reportage: Jeden Sommer sorgen junge Männer – überwiegend mit arabischen Wurzeln – für Gewaltausbrüche in Freibädern
Hinrich Rohbohm

Die Bilder sorgten für Furore: Mehr als hundert junge Männer, vorwiegend mit Migrationshintergrund, die in einem Freibad im Berliner Stadtteil Steglitz aufeinander einprügeln. Sicherheitsbedienstete, die eingreifen und ebenfalls attackiert werden. Dazwischen Kinder. Mütter, die aufspringen, in den tobenden Menschenpulk laufen, um ihren Nachwuchs zu retten. Ein zehnjähriger Junge hatte dabei einen Faustschlag ins Gesicht erlitten. Die Täter: junge Männer im Alter zwischen 15 und 23 Jahren. Der Auslöser: ein harmloser Streit um Wasserpistolen.

Einzelfälle sind solche Szenen, die als verwackelte Handy-Videos in den sozialen Medien massenhaft geteilt wurden, schon lange nicht mehr. Nur wenige Tage zuvor hatten bis zu 250 Menschen im Berlin-Neuköllner Columbiabad Wachleute und Polizisten attackiert. Und erst vor zwei Wochen hatten in demselben Bad Angreifer elf Menschen mit Reizgas verletzt. Mitarbeiter waren darauf in einen Aussichtsturm der Anlage geflüchtet, hatten sich dort bis zum Eintreffen der Polizei eingeschlossen. Die mutmaßlichen Täter, Männer im Alter zwischen 19 und 24 Jahren, waren bereits zuvor aufgrund einer Schlägerei aus dem Schwimmbad geworfen worden. Später seien sie Zeugenangaben zufolge mit Reizgas und Schlagstöcken zurückgekehrt und über Zäune und den Haupteingang in das Areal eingedrungen.

Nur ein spezielles Problem der oft als „failed 

State“, als gescheiterter Staat, in der Kritik stehenden Hauptstadt? „Keineswegs“, sagt ein Bademeister aus der Rhein-Main-Region, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Nur die größeren und die häßlichsten Vorfälle werden von den Medien thematisiert.“ Tatsächlich gehöre Prügeln statt Planschen längst zum Arbeitsalltag eines Bademeisters, auch wenn sich die große Mehrheit immer noch friedlich verhält. „Wir erleben derartige Auseinandersetzungen fortlaufend. Das sind dann nicht gleich Massenschlägereien, aber es geht immer um die gleichen Gruppen und keiner nennt das Problem beim Namen.“

„Würde ich Klartext reden, 

wäre ich meinen Job los“

Der Grund dafür seien Tabuthemen, über die man in Deutschland nicht offen sprechen könne. „90 bis 95 Prozent aller Konflikte in unserem Bad spielen sich mit Leuten ab, die einen bestimmten Migrationshintergrund haben“, schildert der Bademeister seine Erfahrungen gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Dabei handele es sich „nahezu ausschließlich“ um Leute aus arabisch-nordafrikanischen Herkunftsregionen. „Genau diese Gruppe ist das Problem. Aus ihr heraus kommen die Gewalttaten. Jeder sieht es, jeder weiß es, aber keiner spricht es offen aus.“ Auch er nicht. Aus gutem Grund. „Wenn ich Klartext reden würde, wäre ich meinen Job los und stünde am Rassisten-Pranger, da machen wir uns doch mal nichts vor.“

Er selbst, groß und muskulös, könne sich allein durch seine körperliche Statur Respekt verschaffen. „Man darf bei denen keine Schwäche zeigen und muß mit fester Stimme klare Ansagen machen“, ist er überzeugt. Viele Konflikte würden so gar nicht erst ausarten. Doch nicht jeder könne das. Er kenne Kollegen, die „innerlich längst kapituliert“ hätten und davor zurückschrecken, im Konfliktfall gegen diese Gruppen einzuschreiten. „Ich kann das gut verstehen. Wenn Sie wüßten, wie oft wir während unserer Arbeit beleidigt und bedroht werden, ohne daß es überhaupt zu einer Schlägerei gekommen ist. Das steht dann meist nicht in den Zeitungen und auch in keiner Statistik. Aber wenn jemand ankündigt, dich abzustechen oder mitteilt, dir mal ein paar Tschetschenen vorbeizuschicken, wird manchem Kollegen schon mulmig – und das wissen die.“

Seine Forderung: „Leute mit arabisch-nordafrikanischem Migrationshintergrund gar nicht erst ins Bad lassen, so wie das manche Diskotheken regeln, um Ärger zu vermeiden.“ Tatsächlich wird Ähnliches in der Schweiz schon seit längerem praktiziert. So hatten sich dort bereits vor sechs Jahren das Eidgenössische Staatssekretariat für Migration und das Verteidigungsdepartement mit der Kleinstadt Bremgaarten im Kanton Aargau darauf verständigt, Asylbewerbern nicht ohne Begleitung Zutritt in „sensible Zonen“ zu gestatten. Zu diesen Zonen zählen neben Schulgrundstücken und Sportanlagen auch öffentliche Badeanstalten. Die Maßnahme war damals zum Schutz der eigenen Bevölkerung erlassen worden. Aber auch, um die Toleranz gegenüber den im Ort einquartierten Asylbewerbern zu erhöhen.

„Ich würde eine solche Regelung absolut begrüßen“, sagt Leona. Die 16jährige Gymnasiastin genießt gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Freundin Sophie die Sonne im Herzogenriedbad von Mannheim. In den vergangenen Jahren war es hier immer wieder zu Schlägereien gekommen, so manches Mal hatte die Polizei anrücken müssen. „Es geht aber nicht nur um Schlägereien. Gerade als Frau wird man im Freibad schnell sexuell angemacht, beleidigt oder sogar begrapscht“, erzählt Sophie. Auch sie bestätigt: „Es sind stets junge Muslime, die Probleme machen.“ Besonders an den Wochenenden sei es schlimm. „Bei gutem Wetter ist es vollkommen überfüllt, und dann gibt es meistens auch Ärger“, meint Leona. Sie selbst sei an solchen Tagen bereits mehrfach „bedrängt“ oder „beleidigt“ worden. Beide meiden in dieser Zeit mittlerweile das Schwimmbad.

Freibäder seien zu „Orten des Schreckens“ geworden, hatte der Präsident des Verbandes deutscher Schwimmeister jüngst gewarnt. Die Gewaltausbrüche hätten seit 2015 „exorbitant zugenommen“. Besonders Nordafrikaner aus den Maghreb-Staaten und dem arabischen Raum würden die hiesigen „Wertvorstellungen mit Füßen treten“, hatte sich Deutschlands Ober-Bademeister seinem Unmut über Politik und Medien deutlich Luft verschafft. Und: „Es kann nicht sein, daß Menschen, die dort Straftaten begehen, nach zwei Stunden wieder laufengelassen werden.“ Zudem hatte er betont, daß er mit seinen Kindern nicht mehr ins Freibad gehen würde. 

„So weit würde ich jetzt nicht gehen“, widerspricht ein Familienvater, der mit seinen beiden kleinen Töchtern ebenfalls das Herzogenriedbad besucht. Aber auch er meidet die öffentlichen Bäder am Wochenende: „Da ist es uns zu voll und die Stimmung ist dann wirklich schon aggressiv.“ Inwieweit es sich bei den Konflikten um junge Muslime mit Migrationshintergrund handelt, könne er nicht sagen. „Aber ihr hoher Anteil unter den Badegästen läßt sich nicht bestreiten.“

„Bei Straftaten müssen 

die Handschellen klicken“

Ein weiteres Problem: In Zahlen lassen sich die Freibad-Konflikte kaum fassen. Denn Statistiken über Prügeleien oder sexuelle Belästigungen in den deutschlandweit knapp 3.000 Freibädern existieren nicht. Schon gar nicht über die Herkunft der Täter.  „Und selbst wenn man die hätte: Was sagt das aus?“ meint der anonym bleibende Bademeister. „Mal hast du ein Jahr mit einer Hitzewelle, ein anderes Mal einen verregneten Sommer. Ist doch logisch, daß dann auch die Besucherzahlen unterschiedlich ausfallen. Wie soll man das miteinander vergleichen?“

In die Zukunft blickt er dennoch optimistisch. „Unsere Politiker müssen sich ja gerade von einer ganzen Reihe ihrer Illusionen verabschieden. Sie werden auch in Freibädern mit ihren Tabus brechen müssen, weil die Realität sie einholen wird.“ Anfänge seien gemacht. „Manches Schwimmbad hat bereits Ausweiskontrollen eingeführt“, Sicherheitsfirmen würden zur Regel, prognostiziert er. Schließlich kämpfe jede Einrichtung auch um ihren Ruf und habe kein Interesse, stets aufs neue mit Gewaltausbrüchen in Verbindung gebracht zu werden. „Es wird auf eine uralte simple Regel hinauslaufen: Wer sich nicht benimmt, wird ermahnt. Wer die Ermahnung ignoriert, fliegt raus. Wiederholt sich das, fliegt er für immer. Und wer Straftaten begeht, bei dem müssen dann eben auch mal die Handschellen klicken.“