© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Spiel mir das Lied vom Sieg
Italien: Nach dem Sturz der Regierung Mario Draghi wittert die Rechte Morgenluft, doch ganz grün ist man sich nicht
Fabio Collovati

Basta Mario Draghi. Am 25. September wird in Italien ein neues Parlament gewählt. Die Technokraten-Regierung unter der Führung des ehemaligen Chefs der Europäischen Zentralbank hatte vor mehr als einer Woche ihre Mehrheit verloren. Denn seine drei wichtigsten Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento 5 Stelle), Matteo Salvinis Lega und die Forza Italia des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, boykottierten das Vertrauensvotum über Draghi. 

Nun bringen sich die Kandidaten in Position und die italienische Politik ist reich an Eitelkeiten. Draghi regierte zuletzt mit einer „All-Parteien-Koalition“, der alle größeren Gruppierungen außer der rechten Partei Fratelli d’Italia (FdI) angehörten. Und deren Frontfrau, Giorgia Meloni, könnte nun die erste Ministerpräsidentin des Landes werden. In Umfragen liegt die 45jährige seit geraumer Zeit bei rund 23,3 Prozent und damit knapp vor den Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) mit 23,2 Prozent, die so etwas wie die letzte verbliebene Volkspartei sind. Zum Bruch der Regierung kam es, nachdem die rechte Lega und die konservative Forza Italia von Draghi gefordert hatten, die zerstrittene Protestpartei 5 Stelle aus der Regierung zu werfen. 

Ganz aus dem Rennen sind die Sozialdemokraten noch nicht

Dies hatte mehrere Gründe. Vor allem lag es daran, daß die „Fünf Sterne“ sich nach Herzenslust zerlegten und zu normaler Regierungsarbeit kaum noch fähig waren. Sie zerstritten sich vor allem deswegen, weil sie bei den vergangenen Kommunalwahlen desaströse Ergebnisse eingefahren hatten.

 Die Bewegung unter der Führung von Ex-Premier Giuseppe Conte, die als stärkste Einzelpartei aus der Wahl 2018 hervorgegangen war und sich vor einem Monat von Außenminister Luigi Di Maio getrennt hat, käme aktuellen Umfragen zufolge nicht einmal mehr auf zehn Prozent. Tendenz Steil nach unten. Damit erhielten die Träume der Sozialdemokraten, bei regulären Wahlen mit den „Fünf Sternen“ eine Regierung zu bilden, einen erheblichen Dämpfer. 

PD-Parteichef Enrico Letta will sich nun als „Erbe Draghis“ profilieren und die Reste der bürgerlichen Parteien sammeln. Doch dort – im Zentrum – wimmelt es von Neugründungen, Diven und Egomanen. So kündigte Außenminister Di Maio die Gründung einer neuen Mitte-Links-Partei mit dem Namen Impegno Civico (Bürgerlicher Einsatz) an. Doch ganz aus dem Rennen ist der Partito Democratico nicht. Der Abstand zu den „Fratelli“ ist gering und bei den jüngsten Kommunalwahlen schnitt sie erstaunlich gut ab. 

Das hatte aber auch Gründe, die in der zerstrittenen rechten Parteienlandschaft zu suchen sind. Die Lega von Matteo Salvini erlebte ein Debakel, gleichzeitig verloren aber auch die FdI einige Rathäuser an die Linke, was die Parteivorsitzende Meloni in Rage versetzte, die ihrem Bündnispartner Salvini Boykott vorwarf. 

Seit der Wiederwahl des Staatspräsidenten Sergio Mattarella im Januar haben Salvini und Meloni kein Wort mehr miteinander gesprochen. Während die Lega und die Berlusconi-Partei der Regierung Draghi angehörten, konnte sich die FdI als einzige Opposition profilieren. Dies gelang auch – vor allem zu Lasten der Lega. Salvini, der einmal von sich sagte, das Amt im Regierungspalast würde ihm zufallen wie eine reife Frucht, sah sich plötzlich in der Defensive. 

Und die „Fratelli“, die bei der letzten regulären Wahl 2018 mit vier Prozent gerade mit Ach und Krach den Einzug ins Parlament schafften, setzten zu einem Siegeszug in den Umfragen an. Dabei hatten die drei rechten Parteien immer wieder betont, bei Neuwahlen gemeinsam antreten zu wollen. Doch nach dem Krach um die Präsidentenwahl träumte Salvini von einer republikanischen Sammlungsbewegung nach amerikanischem Vorbild. 

Meloni reagierte empört und bezichtigte Salvini des Hochverrats. Kleiner geht es im hitzigen Süden kaum. Salvini und der alternde Macho Berlusconi machten derweil nie einen Hehl daraus, daß sie eine Frau für nicht geeignet halten, ein Rechtsbündnis zum Sieg zu führen. 

Nun, da die Macht zum Greifen nah ist, sieht die Lage wieder anders aus. Meloni sieht keine unüberwindbaren Hindernisse, Berlusconi äußerte für seine Verhältnisse anerkennend, „das Mädchen“ – also Meloni – habe an Statur gewonnen, und Salvini gibt sich staatsmännisch. Er wolle die Zeit nutzen, um mit der geschäftsführenden Draghi-Regierung die Mehrwertsteuer zu senken, „um damit den Italienern Hunger und Kälte zu ersparen“. 

Neben den 23,3 Prozent für die FdI kämen in einem Rechtsbündnis derzeit 13,5 Prozent für die Lega und neun Prozent für Berlusconis Truppe hinzu. Nach dem neuen Wahlrecht würde dies für eine absolute Mehrheit in beiden Kammern reichen. In der vergangenen Woche haben die drei Parteiführer vereinbart, daß die stärkste Kraft des Bündnisses Anspruch auf den Premier-Posten hat.  Salvini setzt nun darauf, daß er frei von Regierungsverantwortung verlorengegangenes Protestpotential reaktivieren kann. Zu Lasten Melonis, versteht sich.

Doch auch sie zeigt sich zuversichtlich und twittert: „Am 25. September haben wir die einmalige Gelegenheit, Italien wiederzubeleben und zu verhindern, daß die Linke nach Jahren der Katastrophen und Einschränkungen an die Regierung zurückkehrt. Wir sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen.“