© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

„Bitte rufen Sie uns nicht an“
Energiekrise: Brennholz ist wie in Nachkriegszeiten zur Mangelware geworden / Neue deutsche Kriminalitätsphänomene?
Christian Schreiber

Die deutsche Energiekrise treibt mittlerweile seltsame Blüten. Seit die Erdgaspreise explodieren, wächst die Nachfrage nach Brennholz rasant. Es gibt Firmen, die bezeichnen Robert Habeck als „unseren besten Vertriebler“. Die Lieferanten sind wochenlang ausverkauft. „Bitte rufen Sie uns nicht an“, steht auf mancher Internetseite. Einigen Unternehmen fehlt die Logistik, um die Nachfrageflut zu beantworten. Der Grund liegt auf der Hand: Viele Bürger schockiert die Vorstellung, im Winter in ungeheizten Räumen sitzen zu müssen. Hausbesitzer haben in den vergangenen Jahrzehnten von Kohle, Öl oder elektrischem Nachtspeicherofen auf billigeres Pipelinegas umgestellt.

Doch das ist nun knapp und teuer. Branchenvertreter warnen mittlerweile vor Panikkäufen. Denn Brennholz ist nicht gleich Brennholz. Momentan können die meisten Firmen nur frisches Holz anbieten. Damit das Brennholz für den Winter kaminfertig wird, muß es zunächst mit Wärme technisch getrocknet werden. Dafür wird in aller Regel ein Aufpreis fällig. Theoretisch können Kunden auch frisches Holz kaufen und es selbst an der Luft trocknen. Bis zur kalten Jahreszeit wäre die Zeit aber wohl zu knapp, sagen Experten.

Selbst bei optimaler Lagerung und guten Wetterverhältnissen dauert es oft mehr als sechs Monate, um den Wassergehalt des Holzes unter 25 Prozent zu drücken. Bei einem höheren Wassergehalt ist der Heizwert geringer und es entstehen beim Verbrennen mehr Schadstoffe. Normalerweise ist die Sommerzeit für Holzhändler eine Phase des Durchschnaufens. Doch die Vorräte sind zum Großteil an Stammkunden oder ins Ausland verkauft. Das schlägt auch auf die Preise durch. Früher war es möglich, durch antizyklisches Einkaufen die Kosten zu senken. Doch „die üblichen Sommerpreise gibt es dieses Jahr nicht“, sagt Marlon Mertz, Chef von Holz Harry in Norddeutschland. Das beliebte Buchenholz ist ausverkauft, auch Eiche und andere Laubhölzer gibt es nicht mehr. Für noch verfügbares Nadelholz müssen Abnehmer oft ein Vielfaches des Normalpreises zahlen und beim Lieferanten in Vorkasse gehen. „Die normale Logistik von Holz schlagen und ausreichend lange lagern ist längst unterbrochen“, klagt Olaf Zinke vom Fachportal „Agrar heute“. Nicht nur, daß deutsches Bauholz 2020/21 wegen der hohen Weltmarktpreise exportiert wurde, auch die heimische Nachfrage nach allen Holzarten sei nun durch den Bauboom und die Energiekrise „durch die Decke gegangen“. Mittlerweile fehle einfach der Nachschub, denn Brennholz müsse eigentlich zwei Jahre gelagert werden.

Der Preis für Brennholz hängt laut dem Bundesverband Brennholz zu 40 Prozent am Rohstoff – ohne die Marge des Händlers. Zweitgrößter Kostenpunkt sei mit 14 Prozent die Trocknung. Wenn das Holz nicht an der Luft, sondern unter Energieeinsatz getrocknet wird, fallen zusätzliche Kosten an. Davon betroffen sind selbst die Großhändler. Bei Obi kostete ein Raummeter Kaminholz im Juni 220 Euro. 2021 mußten dafür keine 100 Euro bezahlt werden. Also selbst in den Wald gehen? „Die Nachfrage nach selbstgesammeltem Brennholz ist in allen Bundesländern deutlich gestiegen und hält unvermindert an“, berichtete der Landesbetrieb Forst Brandenburg im RBB. Einzelne Reviere führen bereits Wartelisten. „Einfach mitnehmen darf man Holz nicht, es gehört dem Besitzer des Waldes, ob es nun der Staatsforst ist oder ein privater Waldbesitzer.“ Dennoch berichten die Forstbehörden von zunehmender Kriminalität, sprich von illegalem Abholzen.

Einfach mitnehmen darf man selbstgesammeltes Waldholz nicht

Doch das rare Gut, das Spötter in Anspielung auf die Corona-Zeit als „neues Klopapier“ bezeichnen, verleitet nicht nur Konsumenten zu illegalen Handlungen. Es häufen sich die Berichte über betrügerische Aktivitäten, weil die Kunden in Vorkasse gehen müssen. Bei der Auswahl des richtigen Händlers sollten Verbraucher aufmerksam vergleichen, rät die Polizei. Gerade beim Internetkauf sei Vorsicht angebracht, „Fake-Shops“ würden wie Pilze aus dem Boden schießen. Sie sind häufig von real existierenden Anbietern kaum zu unterscheiden. Sie kopieren Websites etablierter Händler, formulieren häufig ein frei erfundenes Impressum und locken mit günstigen Angeboten. Auch der Bundesverband Brennholz warnt: „Uns werden immer wieder Betrugsfälle gemeldet.“

Als Indizien für Betrug gelten auffallend günstige Preise und unsichere Zahlungsweisen. Doch in der aktuellen Energiekrise rächen sich auch die Sünden der Vergangenheit. Die Importe von billigem Holz aus Osteuropa haben den heimischen Markt „bereinigt“. Viele Holzbauern haben aufgehört, weil nur noch schwer Gewinne zu erzielen waren. Jetzt bleiben die Importe aus den Lieferländern aus, weil sie Krisengebiete sind, wie die Ukraine, oder weil eben auch dort die Energiekosten explodieren. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Ein bayerischer Händler prognostizierte im Münchner Merkur: „Das wird die nächsten fünf Jahre so gehen.“