© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Trübe Halbjahresbilanz der Kriegsbörsen
Aktienmarkt: Die hohen Energie- und Rohstoffkosten dämpfen die Euphorie in der Rüstungs- und Stahlbranche / Ölkonzerne als gutes Anlageobjekt
Thomas Kirchner

Der deutsche Aktienindex Dax lag im ersten Halbjahr 20 Prozent im Minus, auch Anleihen verzeichneten Verluste. Hält sich der Trend bis Jahresende, wäre es das dritte Jahr, in dem sowohl Aktien als auch Anleihen negative Renditen erwirtschaften. Diversifikation funktioniert nicht mehr. Nachhaltige Anlagen nach sogenannten ESG-Kriterien enttäuschen (JF 28/22). Mit steigenden Energiekosten stellt sich heraus, daß ihre angebliche Überrendite nicht auf Wundermittel zur Klimarettung zurückzuführen waren, sondern nur auf Untergewichtung von Öl-Aktien beruhte.

Seit der Preis des schwarzen Goldes wieder steigt, sind Anlagen in fossile Brennstoffe die Gewinner. 160 Prozent Wertzuwachs, in Euro gerechnet rund 200 Prozent, verbuchen Anleger von ExxonMobil,  das 2020 aus dem Dow-Jones-Index geworfen wurde. Zehn Prozent Dividendenrendite kommen dazu. Manche Öl-, Kohle- und Gaswerte sind noch besser gelaufen. Ein regelrechter Turbo für Energie- und Rohstoffaktien war der Ukraine-Krieg: Rohstoffe, nicht nur Energie, hatten schon vorher kräftig zugelegt. Sanktionen und kriegsbedingte Lieferengpässe verschärfen die Lage. Die neue Taxonomie der EU, die Atom- und Gaskraftwerke einschließt und Kapital zu nachhaltigen Investitionen lenken soll, kommt zum passenden Zeitpunkt.

„Grüne“ Anlagen faszinieren Politik und Medien, doch für Anleger sind sie nicht immer rentabel. Schon als ESG-Investitionen des schwachen Ölpreises wegen überlegen schienen, erlitten Kommanditisten in Wind- und Solarparks Verluste. Sogar eine Schutzvereinigung für Anleger in Windparks wurde gegründet, so stark ist der Kontrast zwischen Wunsch und Realität. Selbst Aktien von Windkraftanlagenbauern sind, trotz des Mega-Ausbaus in Deutschland, Verlierer. Seit 2020 haben Vestas und Siemens Gamesa die Hälfte ihres Kurses eingebüßt, Nordex sogar fast zwei Drittel. Steigende Rohstoffkosten trüben die Aussichten.

Kurzzeitiger Kurssprung nach der „Zeitenwende“-Rede des Kanzlers

Allerdings hilft der teure Stahl den Eisenhütten nicht. Der weltgrößte Produzent, ArcelorMittal, ist mit sinkenden Gewinnprognosen für die nächsten Jahre sowie einem in diesem Jahr um ein Drittel gefallenen Aktienkurs konfrontiert. Höhere Kohle- und Energiekosten lassen trotz robuster Volumen die Gewinne schrumpfen. Während Deutschland mit dem Atomausstieg einen Sonderweg eingeschlagen hat, gehen weltweit mehr Kernkraftwerke in Betrieb. Nicht nur die 441 derzeit betriebenen Reaktoren brauchen Uran, auch die 55 im Bau und über 100 in Planung befindlichen (JF 45/20). Die Nachfrage sollte den Uranpreis stützen, doch für Anleger gibt es wenig Anlagemöglichkeiten neben ein paar kleineren Firmen sind dies die kanadische Cameco sowie die in London gehandelte Kazatomprom aus Kasachstan. Beide haben in den letzten Jahren die Schwankungen im Uranpreis widergespiegelt. Nach den Tiefstständen von weniger als 20 Dollar pro Unze stieg Uran im April auf über 60 Dollar, steht aber mit aktuell 46 Dollar wieder auf dem gleichen Niveau wie vor zehn Jahren und bei nur einem Drittel des Allzeithochs von 2007.

Der Ukraine-Krieg und das 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr sorgten für einen Anstieg der Aktien von Rüstungskonzernen. Doch die anfängliche Euphorie ist verflogen: ThyssenKrupp, einst ein Synonym für deutsche Militärtechnik, hat in diesem Jahr 50 Prozent des Marktwerts verloren. Der Kurssprung nach der „Zeitenwende“-Rede von Kanzler Olaf Scholz am 27. Februar erwies sich als kurzlebig, zu groß sind die Probleme wegen hoher Rohstoff- und Energiekosten. Allerdings stellt die Rüstungssparte weniger als ein Zehntel des Umsatzes dar. MTU konnte einen Kurssturz immerhin verhindern, ein Erfolg angesichts des Verlusts im Dax. Lediglich Rheinmetall konnte seinen Aktienkurs seit Jahresbeginn verdoppeln.

Wenn selbst Krieg die Rüstungsaktien nur begrenzt beflügelt, zeigt dies, wie stark die wirtschaftlichen Verwerfungen sind. So stark, daß auch die deutsche Autoindustrie kriselt. Ein Drittel hat der VW-Kurs in diesem Jahr verloren, BMW und Mercedes sind ungefähr gleichauf mit dem Dax. Kann man sich die Mehrausgaben für alles durch eine Anlage in Rohstoffwerten zurückholen? Die Höchststände der ersten Jahreshälfte sind bei vielen Energie- und Rohstoffen unterschritten, die entsprechenden Aktien sind wieder schwächer. Rezessionsängste wegen gestiegener Zinsen bestimmen jetzt den Markt.

Integrierte Ölkonzerne sind nach wie vor interessante Anlagen – ExxonMobil ist in etwa auf dem Niveau der Jahre 2012 bis 2019. Deutschlands Autobranche wird Verbrenner außerhalb Europas verkaufen, sollte hierzulande in der EU das Verbot kommen. Wer sich gegen fallende Energiepreise absichern will, kann dies mit BASF erreichen – entweder Gas wird wieder billig oder der Chemieriese wandert dahin ab, wo der unverzichtbare Rohstoff günstig ist.


Aktueller Überblick zur Atomenergie weltweit:

 www.nuklearforum.ch/de/nuclearplanet