© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

In der Kulturszene fühlen sich Judenfeinde wohl
Links, woke und antisemitisch
(dg)

Für den Hamburger Historiker und Jungle World- Autor Olaf Kistenmacher war der „Antisemitismus-Skandal“, mit dem die Kasseler Documenta 15 im Frühsommer Furore gemacht hat, keine Überraschung. Judenfeindschaft sei unter „Kulturschaffenden“ seit langem en vogue. Der Boykott des jüdischen Staates könne auf Festivals, in Museen und Theatern stets „Aufmerksamkeitserfolge feiern“ (Konkret, 2/2022) Kritiker prognostizierten daher schon Ende 2021, daß unter der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) die israelkritische BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) hierzulande neuen Auftrieb erhalten werde. Da Roth sich aber als Mitverantwortliche für den als Kunst verbrämten antisemitischen Agitprop in Kassel mit Rücktrittsforderungen von jüdischer Seite konfrontiert sah, dürfte sie demnächst wohl vorsichtiger agieren. Was für Kistenmacher am Problem nichts ändert, daß gerade das sich „demokratisch, aufgeklärt, links und woke“ verstehende Kulturmilieu gemeinsam mit der angeblich „antirassistischen Linken“ die Speerspitze des Antisemitismus bilde. Die erstaunliche Resonanz, die die BDS-Bewegung dort finde, erklärt sich Kistenmacher damit, daß sie auf der Welle der abstrusen „Critical Whiteness“-Ideologie schwimmt. Danach seien Juden „privilegierte Weiße“, während die Szene sich mit den generell als unterdrückt wahrgenommenen „People of Color“ identifiziere. So eingestellt, ergänzt der Historiker und Publizist Vojin Saša Vukadinović, arbeiteten „progressive“ Künstler seit zwei Jahrzehnten „ungeniert an der Normalisierung eines israelfeindlichen Weltbildes“ (FAZ vom 29. Juni 2022).