© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, daß die Bayreuther Festspiele als Hort der Hochkultur abgewirtschaftet haben, dann hat ihn die diesjährige neue „Ring“-Inszenierung von Valentin Schwarz geliefert. Was der österreichische Opernregisseur auf die Bühne gebracht hat, hat mit Richard Wagner etwa soviel zu tun wie ein Mauswiesel mit dem Blockflötenspiel. Konsequent verzichtet der 33jährige auf alles Mythologische in dem Jahrtausendwerk. Das beginnt im „Rheingold“ schon damit, daß der Ring bei ihm zur Menschengestalt wird, und zwar zu einem „richtig üblen, asozialen kleinen Racker“, wie Bernhard Neuhoff, Leiter der Klassik-Redaktion beim Bayerischen Rundfunk, in seiner Premierenkritik meinte. „Im Kinderhort spritzt er mit Malfarbe um sich, versaut alles und tyrannisiert die Mädchen.“ Der Nibelungenhort, der sagenhafte Goldschatz, also ein Kinderhort? Neuhoff: „Das ist die Grundidee, und die muß man erst mal schlucken.“ Der Comedy-Poet Torsten Sträter würde dazu sagen: Du kannst alles lassen, du mußt es nur wollen. Nach der Premiere der „Walküre“ am Montag dieser Woche notierte der Musikjournalist Axel Brüggemann in seinem Bayreuth-Tagebuch online für Cicero, Schwarz’ Inszenierung sei eine „Aneinanderreihung von zum Teil hübschen Knobelaufgaben“, ein „Ring“ für „Klugscheißer“. Vollendet wird die Neuproduktion an diesem Freitag mit der „Götterdämmerung“.


Zum Hype um Frauenfußball habe ich keine öffentlichkeitstaugliche Meinung. Damit sei sie hier mitgeteilt.

Noam Chomsky:

Meinungsfreiheit auch

den Leuten zugestehen,

„die wir verachten“.

Dreierlei aufgelesen bei Noam Chomsky, Jahrgang 1928, US-amerikanischer Linguist und Linksintellektueller: 1. „Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit, wenn wir sie nicht auch den Leuten zugestehen, die wir verachten.“ – 2. „Die Mehrheit der gewöhnlichen Bevölkerung versteht nicht, was wirklich geschieht. Und sie versteht noch nicht einmal, daß sie es nicht versteht!“ –

3. „Indoktrination ist keineswegs inkompatibel mit der Demokratie. Vielmehr ihre Essenz. Ohne Knüppel, ohne Kontrolle durch Gewalt muß man das Denken kontrollieren. Dazu greift man zu dem, was in ehrlicheren Zeiten Propaganda genannt wurde.“ Weiterführendes unter https://chomsky.info/


Paradoxe Urlaubserkenntnis: Nichtstun ist Schwerstarbeit.


Dringende Lektüreempfehlung. Michael Klonovskys letzter Tagebuchband „Im Abgang ein Hauch von Schwefel. Reaktionäres vom Tage. Acta diurna 2020–2021“. Er beschließt die aus seinem Internet-Diarium entstandene Buchreihe bei Manuscriptum mit jetzt sieben Bänden. Das Gesamtwerk umfaßt, seit 2012, rund eine Dekade bundesdeutscher Befindlichkeiten, Narreteien und Verfallserscheinungen. Zuweilen bestehe dabei die Kunst darin, „seinen Ekel so zu formulieren, daß er einen ästhetischen Mehrwert abwirft“, schrieb Klonovsky in einer Vorbemerkung zum ersten Band mit Eintragungungen zwischen 2012 und 2014. Das ist ihm seither vortrefflich und immer wieder anregend neu gelungen. Chapeau!