© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Blick in die Medien
Vom Pranger zum Pranger
Boris T. Kaiser

Die eigene Medizin schmeckt oft besonders bitter. Diese herbe Erfahrung machen aktuell viele, die sich während der Corona-Krise besonders dadurch hervorgetan haben, sogenannte „Querdenker“ und „Impfgegner“ öffentlich. „Aussagen, die man nicht vergessen sollte.“ 

So sieht das zumindest ein FDP-Mitglied, das auf Twitter unter dem Pseudonym Mic de Vries auftritt. Der Unternehmer und Physiotherapeut sammelte und veröffentlichte in dem Sozialen Netzwerk einen langen Strang an Zitaten von Personen des öffentlichen Lebens, die in der Corona-Zeit Ungeimpfte „ausgegrenzt, diffamiert, diskreditiert, beleidigt und Menschen gecancelt“ haben.

„Lesen Sie mal unser Leitbild. Weder Partei noch Fraktion unterstützen einen öffentlichen Pranger.“

Auch eine liberale Parteifreundin ist dabei ins Visier des Corona-Rächers geraten. Die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann zitiert er mit den Worten: „Ungeimpfte dürfen nicht als Minderheit die Mehrheit terrorisieren.“ Die schroffe Verteidigungsexpertin ihrer Partei fiel in der Vergangenheit immer wieder mit beachtlich illiberalen Frontalangriffen gegen alle auf, die auf ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung bestehen. Selbst wollte sie aber jetzt nicht derart öffentlich an den Pranger gestellt werden. „Lesen Sie mal unser Leitbild. Weder Partei noch Fraktion unterstützen mehrheitlich einen öffentlichen Pranger“, schoß die Haubitze des Pseudoliberalismus zurück. Unterstellte ihm gar, „seine an Corona erkrankte Tochter mit auf Klassenfahrt“ schicken zu wollen. De Vries zeigte sich entsetzt über den Vorwurf. „Es ist schlicht falsch, was Sie hier behaupten“, antwortete das einfache Parteimitglied der FDP-Grande. Er sei dreifach geimpft und distanziere sich von Querdenkern.

Doch das half nicht mehr. Strack-Zimmermanns 130.000 Follower bedrängten de Vries medial, ermittelten trotz Pseudonym seine Geschäfts- und Privatadresse und schrieben ihm und seinen Kontakten Nachrichten. In Sachen zur Schau gestellter Anklagen macht der silberhaarigen Scharfrichterin offenbar kein Anprangerer so schnell etwas vor.