© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Adenauer fährt kreuzungsfrei
Am 6. August 1932 wurde die erste Autobahn-Strecke eröffnet
Thomas Schäfer

Zwischen 1921 und 1928 nahm der Automobilverkehr auf den deutschen Straßen um 300 Prozent zu. Dadurch kam es zunehmend zu Staus und zahlreichen Unfällen. 1929 wurden bereits 5.867 Verkehrstote gezählt. Besonders problematisch waren die Zustände in der dichtbesiedelten und hochindustrialisierten preußischen Rheinprovinz: Nirgendwo in Deutschland seien mehr Kraftfahrzeuge unterwegs als zwischen Köln und Bonn, klagten die Zeitungen damals. Deshalb suchten der Oberbürgermeister der Domstadt, Konrad Adenauer, und der Landeshauptmann der Rheinprovinz, Johannes Horion, ab 1926 nach einer praktikablen Lösung für das immer größer werdende Verkehrsproblem. Dabei präferierten die beiden recht bald die Anlage von mehrspurigen „Nur-Automobilstraßen“ abseits der Ortschaften, so wie dies beispielsweise auch der 1926 gegründete Verein zum Bau einer „Schnellverkehrsstrecke“ von Hamburg über Frankfurt nach Basel (HaFraBa) tat. Deren Vorsitzender Robert Otzen prägte 1929 auch in Analogie zur Eisenbahn den Begriff „Autobahn“. 

Allerdings lehnte die Reichsregierung derartige „Luxusstraßen“ ab: Deutschland sei zu arm dafür, meinte der Reichsverkehrsminister Theodor von Guérard und bestand darauf, daß die Eisenbahn Priorität habe. Dennoch gelang es schließlich, die nötigen 8,6 Millionen Reichsmark für eine 18,5 Kilometer lange und zwölf Meter breite Autobahn von Köln nach Bonn aufzutreiben. Dies geschah einerseits durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt sowie Entnahmen aus dem Provinzialhaushalt und andererseits durch die Beschäftigung von 5.540 „Notstandsarbeitern“, also Arbeitslosen, für deren Einstellung die Reichsregierung Zuschüsse gewährte, was am Ende immerhin rund 45 Prozent der Kosten deckte.

NS-Propaganda bemächtigte sich Idee des Autobahnbaus

Die Strecke, welche zunächst noch „Kreuzungsfreie Kraftfahr-Straße“ hieß, wurde am 6. August 1932 durch Adenauer eingeweiht und dann von rund 3.000 Fahrzeugen täglich benutzt. Trotzdem degradierten die Nationalsozialisten diese faktisch erste deutsche Autobahn bereits im Februar 1933 zur Landstraße 185, um den geplanten Bau der Strecke Frankfurt am Main nach Darmstadt zum ersten Autobahnprojekt Deutschlands erklären zu können. Dem folgte am 27. Juni 1933 das Gesetz über die Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahnen. Der erste Spatenstich im Zuge der dadurch eröffneten „Arbeitsschlacht“ fand am 23. September 1933 im Beisein Hitlers statt. Parallel hierzu versuchte die NS-Propaganda den Eindruck zu erwecken, daß sich der „Führer“ schon im Jahre 1923 für die Anlage von Autobahnen ausgesprochen habe. In Wirklichkeit jedoch war der italienische Duce Benito Mussolini ein sehr früher Verfechter des Autobahnbaus gewesen: Auf dessen Initiative hin wurde im Juni 1923 mit der Anlage der Autostrada dei Laghi von Mailand nach Varese begonnen, die dann seit dem 21. September 1924 befahren werden konnte.