© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/22 / 05. August 2022

Frisch gepreßt

Leibniz. Mit 100.000 Blatt an Manuskripten und 20.000 Briefen ist vom barocken Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) einer der größten Gelehrtennachlässe weltweit überliefert. An der von ihm 1700 begründeten Preußischen, nunmehr Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sind Generationen von Editoren seit 122 Jahren damit beschäftigt, das viele, zumeist in französischer und lateinischer Sprache beschriebene Papier in die Form einer historisch-kritischen Gesamtausgabe zu bringen. Und dieses Großforschungsunternehmen ist immer noch nicht abgeschlossen. Es kündet von der geistesgeschichtlichen Größe des Philosophen, Mathematikers, Historikers, Wissenschaftsmanagers und Politikberaters, hat den Zugang zu seinem monumentalen Werk aber eher versperrt als erleichtert. Überdies ist der Denker, dessen Ruhm noch am ehesten im Spott Voltaires über seine „Theodizee“ fortlebt, der zufolge Gott die beste aller möglichen Welten geschaffen habe, wirklich kein „leichter“ Autor. Daher darf die Nachhut des deutschen Bildungsbürgertums sich freuen über das „besonders gelungene biographische Kunststück“ (Rüdiger Safranski), das der Hannoveraner Leibniz-Forscher Michael Kempe jetzt vorlegt: eine schwierige, heute nicht selten exotisch wirkende Materie didaktisch mustergültig aufbereitet und unterhaltsam vermittelt. (wm)

Michael Kempe: Die beste aller möglichen Welten. Gottfried Wilhelm Leibniz in seiner Zeit. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 24 Euro





Displaced Persons. Die Geschichte der über sieben Millionen „heimatlosen Ausländer“, die am Tag der bedingungslosen Kapitulation 1945 in Deutschland lebten, ist lange noch nicht erschlossen. Allerdings ergänzen immer mehr regionale Studien den Forschungsstand über das Schicksal dieser Menschen, von denen bis Anfang der fünfziger Jahre die allermeisten – manche unfreiwillig – „repatriiert“ wurden oder nach Übersee ausgewandert sind. Anders als Autor Ulrich Müller behauptet, waren es nicht nur NS-Zwangsarbeiter, die nach dem Krieg „nun ‘Displaced Persons’ genannt“ wurden. Denn diese Gruppe war heterogener, umfaßte auch Hilfswillige Fachkräfte (Hiwis), Kollaborateure und Flüchtlinge vor der Roten Armee aus Osteuropa oder befreite KZ-Häftlinge. Diese Verkürzung wäre allenfalls in der Lokalstudie des Historikers berechtigt, da diese knapp 2.500 Männer und 850 Frauen aus 13 Staaten die große Mehrzahl der DPs bildeten, deren Tätigkeit in der kriegswichtigen Industrie Schwäbisch Gmünds und in der Landwirtschaft im umliegenden Ostalbkreis im Fokus seiner Untersuchung stehen. (bä)

Ulrich Müller: Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter und Displaced Persons in Schwäbisch Gmünd zwischen 1940 und 1950. Einhorn Verlag, Schwäbisch Gmünd 2022, broschiert, 260 Seiten, 18 Euro