© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Carolin Gräfin von der Groeben verzichtete dreißig Tage auf Alkohol – und stellte sich und ihren Sender unfreiwillig bloß.
Nüchterner Journalismus
Tobias Dahlbrügge

Bis vor kurzem kannte kaum jemand Carolin von der Groeben. Sie entstammt einem alten Grafengeschlecht, das einen Kardinalshut im Wappen führt. Heute gehört die Familie eher zum TV-Adel: Mutter ist Nachrichtensprecherin Ulrike von der Groeben, Vater und Bruder bevölkern RTL-Serien und epochale Filmwerke wie „Fack Ju Göhte“. Und auch die 27jährige Carolin, geboren in Mönchengladbach, „macht was mit Medien“: Sie ist Reporterin des Youtube-Kanals „Y-Kollektiv“ – der zu „Funk“ gehört, dem Internetangebot von ARD und ZDF, das sich an Jugendliche ab 14 Jahren richtet. Mal berichten Funk-Reporter hautnah, wie cool Schwule sind, die auf Drogen tagelang anonymen Sado-Maso-Gruppensex haben, ein anderes Mal, wie trendy es ist, sich zur „Bimbo Doll“, also Gesicht und Brüste bis zur grotesken Angleichung an eine Sexgummipuppe umoperieren zu lassen.

Ein besonderes Glanzlicht aber präsentierte unlängst die junge Gräfin: Ganz im Sinne des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrages stellte sie sich der „Challenge“ (Herausforderung), dreißig Tage ohne Alkohol durchzustehen. Daß Leute im Katholischen sogar jedes Jahr eine so „krasse Challenge“ meistern (nämlich von Aschermittwoch bis Ostern, genannt Fastenzeit), hat Carolin wahrscheinlich noch nie gehört.

In der Funk-Doku „Hauptsache Alkohol?“ protokollierte sie ihren Selbstversuch, beginnend mit den hörbar verkaterten Worten: „Uuh, gestern war wieder doll: Vorglühen, Feiern, After-hour ...“ Dazu Bilder der trinkenden, rauchenden, kichernden Blaublütigen und als Einspielmusik: „Freitag, Samstag, fick ich meinen Kopf!“ In den folgenden 22 Minuten reflektiert das öffentlich-rechtliche Nachwuchstalent dann auf Schülerzeitungsniveau – das Deutschlands Bildungsmisere einmal mehr offenbart – ihre Alkoholexzesse nach dem Motto des Schriftstellers Truman Capote: „Ich habe keine Probleme mit Alkohol – solange welcher da ist.“ Vor laufender Kamera lallt Carolin, sie zeche ja nur viermal die Woche, als sei das ein akzeptabler Lebensentwurf. Es wird sichtbar, wie unendlich weit ihr urbanes Hipster-Milieu von der Lebensrealität normaler Arbeitnehmer entfernt ist.

Viel zu spät dämmerte dem Sender, daß er seine Fürsorgepflicht verletzt hatte, und löschte die Sendung. 

Die Sendung rief zahlreiche Youtuber auf den Plan, die Groebens Schnapsbeichte mal zynisch, mal mit geheucheltem Mitleid kritisch analysierten. Alle kamen sie zu denselben drei Schlüssen: 1. Die Frau hat definitiv ein Alkoholproblem. 2. Ihre Zurschaustellung zuzulassen ist grob verantwortungslos. 3. Es ist eine Frechheit, für solche Inhalte Zwangsgebühren zahlen zu müssen.

Für Groeben spricht, daß sie immerhin die Frage stellt, ob so zu bechern nicht ein ernstes Problem sei. In einem zweiten Video reagierte die zwischenzeitlich Ernüchterte auf die Kritik jedoch mit einer Rechtfertigung – die aber kaum überzeugte, da sie ihren Konsum erneut relativierte. Die halbherzige Reaktion verschlimmbesserte ihre Lage eher.

Viel zu spät dämmerte wohl auch den Verantwortlichen, daß sie nicht nur die Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Mitarbeiterin verletzt haben, sondern auch gegenüber ihrer Zielgruppe der 14- bis 29jährigen, denen Alkoholismus als Lifestyle dargestellt wird – die Sendung wurde aus dem Archiv gelöscht.

Doch das Internet vergißt nichts: Schon steht die Affäre in Groebens Wikipedia-Artikel und wird die labile junge Frau wohl noch lange verfolgen. Wenn sie Glück hat, vermittelt ihr der Sender ein Therapieangebot.