© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Lieber erfolglos als gemeinsam
Paul Leonhard

Sie gelten im bundesdeutschen Parlamentarismus tradionell als „schärfstes Schwert“ der Opposition: Untersuchungsausschüsse. Mit ihnen kann das Handeln der Regierung genauer untersucht, können Verantwortliche als Zeugen unter den Bedingungen einer Gerichtsverhandlung vorgeladen werden.

In Sachsen-Anhalt war das seit der Wiedergründung des Landes bisher 20mal der Fall. Besonders eifrig waren die Abgeordneten in der 7. Wahlperiode, die vergangenes Jahr zu Ende ging. Zuletzt ging es um eine Giftschlammgrube und das Bergwerk Teutschenthal; aber auch der Terroranschlag in Halle 2019 war Thema eines Untersuchungsausschusses. Mit diesem sei es gelungen, die Meldeketten im Bundesland zu hinterfragen und zu ändern, resümierte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann stolz. 

Auch nach den Untersuchungen zu illegalen Geschäften der Abwasserzweckverbände änderte der Landtag Gesetze. Untersuchungsausschüsse können nützlich sein, so das Fazit der Oppositionspolitikerin. Und doch sorgt gerade ihre Fraktion dafür, daß es wohl in dieser Legislaturperiode keine geben wird.

Denn eine Einsetzung erfordert die Zustimmung eines Viertels der Abgeordneten. Zwar ist die Opposition groß genug, diese zu erreichen, aber nur theoretisch. Denn Grüne und Linkspartei weigern sich, dafür mit der AfD zusammenzuarbeiten. Deren Forderung, sich hierbei gegenseitig zu unterstützen, wurde sehr zu Freude der regierenden CDU und SPD abgelehnt. Denn nur eine geeinte Opposition verfügt über ausreichend Stimmen, um einen Untersuchungsausschuß durchsetzen zu können.

Es werde „von unserer Grünen-Seite keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“, zitiert der MDR die grüne Fraktionschefin: Die AfD habe sich „selber oft genug als antidemokratisch diskreditiert“ und deswegen sei es „undenkbar, daß wir gemeinsam mit der AfD demokratische Instrumente nutzen“. 

Daß die Bündnisgrünen damit nicht nur den in freien und geheimen Wahlen zustande gekommenen Wählerwillen ignorieren, sich dadurch also demokratiefeindlich gebärden und ihre einstigen basisdemokratischen Wurzeln in der DDR-Opposition verspotten, sondern auch noch mit den demokratiefeindlichen Postkommunisten gemeinsame Sache machen, geht ihnen nicht auf. 

Diese sind damit hochzufrieden, denn ihnen geht es offenbar um etwas anderes. So gesteht Linken-Fraktionschefin Eva von Angern freimütig: „Nun könnte man von außen meinen: ‘Mensch, die sollen sich doch nicht so haben, es geht doch um die Sache.’ Aber, und damit bin ich ganz deutlich: Wir werden mit Politikern, die menschenverachtend agieren, nicht zusammenarbeiten – an keiner Stelle.“ 

Sozialistische Dialektik nannte man das früher. Wenn sie das Handeln der Landesregierung hinterfragen wollen, bleibt den Politikern der drei Oppositionsfraktionen also künftig nur das im Vergleich zu Untersuchungsausschüssen schwache Instrument der Großen und Kleinen Anfrage.