© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Grüße aus … Wien
Wirklich oder unwirklich
Robert Willacker

In Artikel 1 der Bundesverfassung heißt es: „Östereich ist eine demokratische Republik.“ Auch wenn diese Aussage formal richtig ist, so verschleiert sie doch eine Tatsache, deren Kenntnis für das Verständnis der Alpenrepublik und seiner Bewohner unabdingbar ist und die da lautet: Österreich ist im Herzen immer Monarchie geblieben. 

Nicht nur das Tourismusmarketing des Landes und insbesondere der Hauptstadt Wien baut auf Kaiserin Sissi & Co., auch die gesellschaftlichen Gepflogenheiten spiegeln die Sehnsucht nach der Klarheit, Struktur und der Bedeutung des königlichen Österreichs wieder. 

Der Amtstitel des Ministerialrats ist hier ebenso lebendig wie der des Kommerzialrats oder des Hofrats, und wem einmal bei einer Abendveranstaltung der Name seines Gesprächspartners entfallen ist, der liegt mit „Herr Direktor“ oder „Herr Präsident“ fast immer richtig. Der Hofrat kann im übrigen sogar mit dem Zusatz „Wirklicher“ versehen werden, um dem Gegenüber deutlich zu machen, daß er es mit einem waschechten Hofrat und nicht etwa mit einem bloßen Titularhofrat – einem vom Bundespräsidenten verliehenen Ehrentitel – zu tun hat. 

Ein Problem hat Dr. Marco Pogo dennoch: Er muß 

bei der Wahl unter seinem echten Namen antreten.

Bundespräsident? Ja, denn wie es sich für eine Republik gehört, unterhält auch das monarchieverliebte Österreich ein Staatsoberhaupt in Form eines direktgewählten Bundespräsidenten. Die turnusmäßig alle sechs Jahre und in diesem Herbst erneut stattfindende Wahl des UHBP – ein ironisch-unterwürfig gebrauchtes Kürzel für „Unser Herr Bundespräsident“ – ist auch deshalb von großem Interesse, weil sich im Kandidatenfeld ein überaus illustrer Anwärter tummelt. 

Es handelt sich dabei um einen jungen Tausendsassa mit dem klangvollen Künstlernamen „Dr. Marco Pogo“. Der 35jährige Wiener, der mit bürgerlichem Namen Dominik Wlazny heißt, wurde einem größeren Publikum ab 2015 durch seine Auftritte als Sänger der Punkrockband „Turbobier“ bekannt. Er ist zugleich Vorsitzender der ursprünglich als Spaßpartei konzipierten „Bierpartei“, die es 2019 bei der Wiener Gemeinderatswahl mit Wahlkampfsprüchen wie „Wo ein Wille, da Promille“ auf 1,8 Prozent und in elf von dreiundzwanzig Bezirksvertretungen schaffte. 

Vor allem im großstädtischen, linken Milieu findet die Kunstfigur des Anti-Politikers großen Anklang, und sein Antreten wird dem Amtsinhaber Alexander Van der Bellen zwar nicht ernsthaft gefährlich, ihn aber zweifellos einige Stimmen kosten. Ein Problem hat Dr. Marco Pogo dennoch: Er muß bei der Wahl unter seinem echten Namen antreten, ein Alias ist auf dem Wahlzettel nicht erlaubt. Jedoch: der hierzulande so wichtige Titel darf bleiben, denn der ist echt. Pogo ist von Beruf Arzt.