© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Neu entdeckt – die EU ist ein kulturelles Projekt
Die Ukraine kämpft für Brüssels Werte
(wm)

Der 1956 in New York geborene niederländische Politiker und Manager Gijs de Vries ist der fleischgewordene Idealtyp des „Anywhere“: Linksliberal, Single, Millionär, zeitweilig Partner des global operierenden Konzerns Ernst & Young („Unternehmensberatung“), von 1984 bis 1998 EU-Parlamentarier, von 2004 bis 2007 Brüssels Anti-Terrorismus-Koordinator, zwischendurch niederländischer Innenstaatssekretär und derzeit im Nebenamt Gast-Fellow an der London School of Economics. Überall und nirgends zu Hause, hat de Vries nun den Krieg in der Ukraine als Chance für die EU entdeckt, ihr schwer lädiertes Ansehen aufzupolieren. Die Brüsseler Bürokraten müßten sich nur darauf besinnen, daß die EU ja gar kein neoliberal-ökonomisches, sondern „in erster Linie ein kulturelles Projekt“ sei. Demokratie, die das EU-Parlament freilich nur simuliert, und Rechtsstaatlichkeit, an deren „Qualität“ mit Blick auf die Besetzungspraxis an den Gerichten der Union selbst de Vries zu zweifeln scheint, seien „im wesentlichen kulturelle Werte“. Und für diese Werte, nicht etwa für die Unabhängigkeit von Volk und Nation, würden „Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen“. Brüssel sollte sie dabei unterstützen, indem es hilft, „Zehntausenden von ukrainischen Kulturschaffenden“ die kriegsbedingt zerstörte Existenzbasis zurückzugeben, oder indem es viele davon als „Kulturflüchtlinge“ aufnehme. Zwar werde diese Hilfe schon von Polen, Deutschland und Frankreich geleistet. Trotzdem sollte die EU mit einem zentralistischen „Aktionsplan“ das Heft in die Hand nehmen, um sich als wahrer Retter der ukrainischen Kultur zu profilieren (Kulturaustausch, 3/2022). 


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