© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Rundumschläge
Uwe Boll pöbelt etwas indifferent gegen den Zeitgeist
MIchael Dienstbier

Uwe Boll sei „Deutschlands Antwort auf Ed Wood“, heißt es oftmals aus Reihen von Cineasten, wobei man wissen muß, daß es sich bei Ed Wood um den schlechtesten Filmemacher aller Zeiten handelt. Seit 1991 hat Boll als Produzent oder Regisseur zahlreiche Filme auf den Markt gebracht, die vor allem wegen ihrer detaillierten Gewaltdarstellung von vielen als voyeuristischer Schund abgetan werden. Eine treue Fangemeinde hingegen sieht in ihm einen verkannten Meister seines Faches. Zwischen Trash und Genie scheint, wie so häufig in der Kunst, ein schmaler Grat zu verlaufen. Als Autor jedoch fühlt sich Boll eher in den Trash-Gefilden heimisch. Im vorliegenden Rundumschlag pöbelt er sich durch die Themenpalette unserer Zeit, um zu dem Fazit zu kommen, daß jeder, der die von ihm erkannte Wahrheit nicht akzeptiert, ein Idiot sei. Völlig zu Recht wird der Leser im Vorwort gewarnt: „Uwe Boll und leise Töne? Keine fucking Chance!“

Es ist unmöglich, Boll einem politischen Lager zuzurechnen. Bei den Themen Klimawandel und Corona kann seine in Fäkalsprache gekleidete Rebellenattitüde nicht darüber hinwegtäuschen, daß er hier den polit-medialen Mainstream reproduziert. Er prophezeit, daß noch zu unseren Lebzeiten bis zu sechzig Prozent der Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben könnten. Als Quellen werden dabei Wikipedia und zdf.de angegeben. Jeder, der dieses völlig absurde Horrorszenario anzweifelt, wird als Spinner abgetan. Seine Lösung: Länder wie China oder Indien zwingen, auf fossile Rohstoffe zu verzichten. Na, dann viel Erfolg bei der Umsetzung dieses Vorhabens!

Realsatirischen Charakter erhalten Bolls Ausführungen beim Thema Religion. Er als Atheist ist der Überzeugung, daß nur Atheisten politische Verantwortung tragen sollten. Religionen seien irrational, weshalb religiöse Menschen auch nur irrationale Entscheidungen treffen könnten. Sein äußerst differenziertes Urteil: „Also Fuck den Glauben, die Religion und die ganze idiotische Scheiße.“ Es bleibt die Frage, ob Boll genuin atheistische Regime à la Stalin und Mao für nachahmenswert hält. Gegen Migration aus islamischen Ländern hat Boll nichts einzuwenden, nur müsse man diese Menschen zwingen, ihrem Glauben abzuschwören. Man darf gespannt sein, was er von seinen Bekehrungsreisen nach Essen-Altenessen oder Duisburg-Marxloh zu berichten weiß.

Krawallsprache und Flapsigkeit können durchaus Stilmittel zur Analyse bestehender Verhältnisse sein, wie es Akif Pirincci in seinen Büchern gezeigt hat. Bolls Ausführungen offenbaren jedoch nichts außer der Überzeugung, das eigene Weltbild sei das einzig wahre. Dieser Trash ist punktuell durchaus amüsant, in weiten Teilen jedoch nur eine Selbstgerechtigkeitsorgie zum Fremdschämen.

Uwe Boll: Warum sich keiner mehr zu sagen traut, was wirklich ist. Deutschland zwischen Cancel Culture, Political Correctness, und der neuen Feigheit, die Wahrheit zu sagen. Finanzbuch Verlag, München 2022, broschiert, 192 Seiten, 18 Euro