© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/22 / 12. August 2022

Der Flaneur
Die Welt verbessern
René Langner

Wieder einmal bin ich zu Gast in Dresden. Zusammen mit einem guten Freund möchte ich die wunderschöne Altstadt erkunden. Emil erwartet mich bereits in einem kleinen Café am Rande der Elbe. Wir plaudern über vergangene Tage, gesellschaftliche Probleme und natürlich über Politik. Viel Gutes ist es nicht, was ich besonders bei den letzteren Themen zum besten geben kann. 

Emil hingegen scheint, wie schon seit eh und je, fest an einen positiven gesellschaftlichen Wandel zu glauben. Während wir bezahlen, wendet sich mein Begleiter dem Kellner zu: „Vielen herzlichen Dank. Wir hatten eine wirklich tolle Zeit bei Ihnen.“ Etwas irritiert, aber dennoch sichtlich erfreut, bedankt sich auch der junge Herr und wünscht uns einen schönen Tag. 

„Und wenn mein Kompliment auf taube Ohren stößt, so hat es mich zumindest nichts gekostet.“

Als wir einige Zeit später an einer engen Gasse ankommen, die soeben neu gepflastert wird, spricht Emil die Bauarbeiter an: „Einfach großartig, was Sie hier leisten!“ Nicht nur ich schaue verdutzt. Auch die Männer, denen seine Worte galten, blicken skeptisch drein. „Wollen Sie uns veralbern?“, ist ihre schroffe Antwort. „Nein, keineswegs. Wenn Sie hier fertig sind, haben Sie etwas, worauf Sie wirklich stolz sein können.“

Ein paar Schritte weiter will ich wissen, was denn dies gerade sollte. „Ganz einfach“, erklärt mein Freund, „ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen.“ 

Bevor ich fragen kann, wie das denn bitte gehen soll, fährt er fort: „Wenn ich offen und nett im Umgang mit meinen Mitbürgern bin, dann wird genau diese Freundlichkeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch an andere Menschen weitergegeben.“ Als ich ihm entgegne, daß dies doch nicht sein Ernst sein kann, schmunzelt er nur und ergänzt: „Und wenn mein Kompliment auf taube Ohren stößt, so hat es mich zumindest nichts gekostet.“  

Während ich darüber nachdenke, ob vielleicht doch etwas dran ist an Emils Theorie, sehe ich, wie dieser gerade mit einer Frau flirtet. „Du weißt schon, daß sie keine Schönheit ist“, platzt es aus mir heraus. „Ich weiß“, antwortet er. „Aber womöglich ist sie ja Erzieherin, dann steht ihren Kindern ein wirklich toller Tag bevor.“