© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Klein, unfein
Demonstration I: Linksextreme wollen Hamburg lahmlegen, aber mehr als ein paar Straßen können sie nicht blockieren / Frust und Wut auf Grüne
Hinrich Rohbohm

Sie waren gekommen, um ganz Hamburg lahmzulegen, wollten Energie-Infrastruktur und Hafenlogisitik der Hansestadt empfindlich treffen. Am Ende reichte es lediglich zu wenigen Blockade-Aktionen mit ein paar hundert Saboteuren. Eine kurze Besetzung der Hafengleise im Stadtteil Hausbruch im Hamburger Süden. Straßenblockaden auf der Willy-Brandt-Straße, der Kattwyk- und der Köhlbrandbrücke im Stile der Gruppe Letzte Generation. Hinzu kamen vorübergehende Blockaden der Baustelle für das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven und des Werkstors eines Düngemittelherstellers in Brunsbüttel. Jedesmal mit weit weniger als 500 Teilnehmern. Entsprechend zügig konnten die Blockaden von der Polizei aufgelöst werden.

„Die Grünen sind keine Lösung, sondern Teil des Problems“

Für die Aktionen verantwortlich ist ein linksradikales Bündnis rund um die gewaltbereite und von der Interventionistischen Linken (IL) gesteuerte Gruppe Ende Gelände. Die IL wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet, das die Organisation als linksextremistisch einstuft. Eine Woche lang hatte das Bündnis sein „System Change Camp“ im Altonaer Volkspark im Westen der Elbmetropole aufgeschlagen. Beteiligungsmäßiger Höhepunkt: ein als „Massenaktion“ angekündigter Protestzug durch den Hafen. Bis zu 6.000 Teilnehmer hatten die Organisatoren erwartet. Gekommen waren nicht einmal 2.000.

Einige Protestler forderten „von Hamburg bis nach Gaza: Klimaintifada“. Beim linksradikalen Bündnis wirkten auch Fridays for Future (FFF) und Luisa Neubauer mit. In einem Twitter-Beitrag solidarisierte sich das Grünen-Mitglied und Aushängeschild der Deutschen FFF-Bewegung mit Ende Gelände: „Klimakatastrophen eskalieren, und die Ampel macht uns in der Energiekrise durch feste LNG-Terminals weiter abhängig von fossilen Strukturen.“ Für eine Erneuerbare-Energie-Versorgung gehe man „mit Ende Gelände auf die Straße“. Erst vor kurzem hatte Neubauer ihre irritierenden Gedanken darüber veröffentlicht, wie man am besten die längste Rohöl-Pipeline der Welt in die Luft sprengen könnte.

Auf der Demo in Hamburg protestierte Fridays for Future inmitten linksautonomer Gruppen, denen sich die Bewegung auch verbal anglich. „Die Geschichte vom Ende des Kapitalismus ist noch nicht geschrieben. Aber wir haben den Stift schon in der Hand. In diesem Sinne: Communism for Future. Laßt uns den Kapitalismus in die Elbe treten!“ schrie eine junge Frau, von einem Zettel ablesend, vom Demo-Wagen in die Menge.

Bei der Frau handelte es sich übrigens um eine Anhängerin des linksautonomen Bündnisses „Ums Ganze“, einer Gruppierung, die offen die Errichtung eines kommunistischen Systems in Deutschland anstrebt. Und der die Fridays-for-Future-Bewegung bereitwillig ihren Demo-Wagen als „Bühne“ zur Verfügung stellte.

Sogar die Grünen, obwohl zumindest mit der weitaus radikaleren Grünen Jugend selbst am Bündnis beteiligt, waren in dem Protestzug alles andere als willkommen. „Grüne wählen ist keine Option – Klimaschutz heißt Revolution“, hieß es etwa auf einem Transparent, das eine in Schwarz gekleidete Antifa-Gruppe mit sich trug. „Die Grünen sind nicht die Lösung, sie sind Teil des Problems“, stand auf einem weiteren Plakat.

Während die Proteste in der Hamburger Bevölkerung auf wenig Resonanz stießen, erhielt das Bündnis zumindest in den Medien die gewünschte Aufmerksamkeit. Oft jedoch, ohne daß der gewaltbereite und linksextreme Hintergrund der einzelnen Gruppierungen näher beleuchtet wurde.

„Klima-Aktivisten legen Hamburg lahm“ titelten selbst bürgerliche Medien. Doch von einem Lahmlegen der Stadt kann nicht ansatzweise die Rede sein. Der Hintergrund: Während der Woche des System Change Camps war es wie erwartet immer wieder zu einzelnen Sabotage-Aktionen aus den Reihen des Bündnisses gekommen, meist mit zahlenmäßig deutlich geringerer Schlagkraft als bei der ohnehin schon mit schwacher Beteiligung erfolgten Demo an den Landungsbrücken.

Ein jahrelang geplantes Ziel der Saboteure: die Hafengleise bei Hausbruch. Sie sind Hamburgs einziger Schienenzugang zum Container-Terminal, somit für die Hafenwirtschaft eine Achillesferse. Doch lediglich einigen hundert selbsternannten Klimaaktivisten gelang deren kurzfristige Besetzung. Eine nachhaltige Störung der Hafenlogisitik sieht anders aus. Zudem hatten sich Linksradikale auf den Straßenbrücken Kattwyk und Köhlbrand sowie der vielbefahrenen Willy-Brandt-Straße angekettet und ihre Hände mit Sekundenkleber befestigt. Teilweise eskalierten die Blockaden, Wasserwerfer und Pfefferspray kamen zum Einsatz. Mit Reizgas sollen wiederum auch die Blockierer die Polizei attackiert haben, was das Bündnis allerdings bestreitet.

Für den 27. August kündigt Ende Gelände eine weitere „Großdemo“ in Köln an. Das Ziel: „RWE enteignen.“ Sollte sie ähnlich „groß“ ausfallen wie in Hamburg, dürfte es mit der geplanten Enteignung noch ein Weilchen dauern.