© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gerd gibt nicht klein bei
Paul Rosen

Begriffe wie „Aufgeben“ oder „Rückzug“ kommen im Vokabular von Altkanzler Gerhard Schröder nicht vor. Den Kampf um seinen Verbleib in der SPD hat er gewonnen. Nun nimmt sich Schröder den Bundestag vor, wo der Haushaltsausschuß im Mai 2022 sein Büro „ruhend gestellt“ hatte. Das Gremium hatte mit Mehrheit der Koalition festgestellt, daß der für russische Konzerne tätige Bundeskanzler a. D. „keine fortwirkende Verpflichtung aus dem Amt mehr wahrnimmt“. Daher wurde ihm das Büro genommen, und die Mitarbeiterstellen wurden gestrichen. Die Mitarbeiter hatten schon vorher gekündigt.

Der Fall macht deutlich, in welch großem Umfang ehemalige Bundeskanzler, Bundespräsidenten und Bundestagspräsidenten versorgt werden. Sie haben nicht nur Anspruch auf Büroräume im Bundestag, sondern auch auf Büroleitung, Referentenstellen, Sekretärinnen und Dienstwagen mit Fahrer. Ob in den Büros wirklich „nachwirkende Amtspflichten“ erledigt werden, interessierte in der Vergangenheit niemanden.

Erst als Schröder Persona non grata wurde, begann eine Debatte – aber nur über den Ex-Kanzler. „Der Haushaltsausschuß hat Gerhard Schröder völlig zu Recht Leistungen für Büro und Mitarbeiterstellen entzogen“, erklärte Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Seiner Ansicht nach ist die Amtsausstattung dafür gedacht, daß Bundeskanzler auch nach ihrer Amtszeit Aufgaben für das Land wahrnehmen. „Bei Herrn Schröder ist das genaue Gegenteil der Fall, er agiert klar gegen die Interessen Deutschlands“, betonte Thomae.

Bei dieser beinahe heroischen Aufgabenbeschreibung dürfte es anderen Ex-Staatsmännern und -frauen schwerfallen, ihre Amtsausstattung viele Jahre nach Amtsende noch mit „nachwirkenden Amtspflichten“ zu begründen. Ein Beispiel war der inzwischen verstorbene Altpräsident Walter Scheel, der noch über ein Büro gebot, obwohl er längst in Vergessenheit geraten war. Bei Schröder besteht eher der Eindruck, daß von den deutschen Parlamentariern hier – wie der Volksmund sagt – der Sack geprügelt, aber der Esel (Wladimir Putin) gemeint ist.

Nun schlägt Schröder zurück. Seine Anwälte Michael Nagel und Ralph Heiermann reichten Klage beim Verwaltungsgericht Berlin ein. Sie erklärten, es sei eklatant rechtswidrig, daß Schröder während des Verfahrens nicht gehört worden sei. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der Altkanzler sogar um ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU), gebeten hatte. Der reagierte nicht. Schröder habe alles nur aus den Medien erfahren und sei damit zum Objekt des Verfahrens gemacht worden, was seine Anwälte für einen „Verstoß gegen die Menschenwürde“ halten. Für die Klage sieht Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dennoch wenig Erfolgsaussichten. Aber den Beschluß des Haushaltsausschusses gerichtlich überprüfen zu lassen sei Schröders gutes Recht.