© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Hochexplosive Stimmung
USA: Die Razzia in Donald Trumps Herrenhaus erhitzt nicht nur das Gemüt des Ex-Präsidenten
Marc Zoellner

Dieser Fund hatte es in sich: Gleich stapelweise verfrachteten Beamte des FBI vergangene Woche Montag Materialien aus Mar-a-Lago, dem Anwesen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, in die vor der Villa parkenden Einsatzwagen. Ein „Herrenhaus mit etwa 58 Schlafzimmern und 33 Badezimmern auf einem Grundstück von 17 Acre“, umgerechnet rund sieben Hektar, sei zu durchsuchen, erklärte Bruce Reinhart, Amtsrichter von Palm Springs, dem Wohnsitz Trumps, in seinem Durchsuchungsbeschluß, „einschließlich des ‘45 Office’“, der offiziellen Geschäftsräume des ehemaligen Präsidenten auf dessen Anwesen. 

Die Razzia ist in der Geschichte der Vereinigten Staaten einzigartig. Noch nie zuvor hatten Bundespolizisten private Räumlichkeiten eines amtierenden oder ehemaligen US-Präsidenten durchsuchen dürfen. Selbst das Datum der Razzia schrie nach einem historischen Vergleich: Am gleichen Tag vor 48 Jahren hatte Richard Nixon, der 37. Präsident der Vereinigten Staaten, seinen Rücktritt im Zuge des Watergate-Skandals zu erklären. Auf den Tag genau drei Monate vor den wichtigen Halbzeitwahlen rutscht das Land in einen politischen Skandal erster Güte.

Trumps markige Worte kommen bei seinen Anhängern gut an 

„Was ist der Unterschied zwischen diesem Akt und Watergate?“ fragte Trump, auf Nixon Bezug nehmend, schon am Folgetag in einer Presseerklärung. „Es ist eine Amtsverfehlung der Staatsanwaltschaft, die Umfunktionierung des Justizsystems zur politischen Waffe und ein Angriff radikal linker Demokraten, die verzweifelt zu verhindern versuchen, daß ich 2024 für das Präsidentenamt kandidiere, insbesondere aufgrund der jüngsten Umfragen.“ 

Mit seinen markigen Worten stieß Trump bei vielen seiner Anhänger, aber auch bei republikanischen Spitzenpolitikern auf deutliche Zustimmung. Nach den Halbzeitwahlen im November werde „die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus nichts unversucht lassen, wenn es um Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der dreisten politischen Instrumentalisierung von Joe Bidens Justizministerium und des FBI gegen ihre politischen Gegner geht“, erklärte Elise Stefanik, Versammlungsleiterin und somit quasi Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus. Der ehemalige Polizeichef Troy Nehls, der für seinen texanischen Wahlkreis im Repräsentantenhaus sitzt, äußerte seine Unterstützung Donald Trumps gar noch deutlicher: „Herr Präsident, ich sage, das amerikanische Volk, Ihre Unterstützer, sind äußerst beunruhigt über das korrupte Justizministerium und das FBI.“

Was sich tatsächlich in den 26 Kisten und elf als „streng geheim“ deklarierten Aktenordnern befindet, wurde von den Ermittlern bislang noch nicht preisgegeben. Sich auf „Menschen, die mit der Durchsuchung vertraut sind“ berufend, berichtete vergangenes Wochenende die linksliberale Washington Post, seit seiner Wahl im November 2016 erklärter Gegner Trumps, „unter den von den FBI-Agenten gesuchten Gegenständen“ hätten sich auch „als geheim eingestufte Dokumente zu nuklearen Waffen“ befunden. 

Diesen Vorwurf streitet Trump ebenso strikt ab wie jenen des Besitzes streng geheimer Dokumente. „Erstens war alles freigegeben“, schrieb Trump in einer Mitteilung auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“. „Und zweitens hätten sie nichts zu beschlagnahmen brauchen. Sie hätten jederzeit alles ohne politische Spielchen und einen Einbruch in Mar-a-Lago haben können.“ 

Der ehemalige US-Präsident vermute vielmehr, ihm könne im Vorwahlkampf zu den Halbzeitwahlen „etwas untergeschoben“ worden sein – und verweist darauf, daß seinen Anwälten zur Hausdurchsuchung seitens des FBI die Anwesenheit verwehrt wurde und zudem die hauseigenen Überwachungskameras ausgeschaltet werden mußten. Überdies sei in vielen der Kisten „vertrauliche Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant, daß sie nicht mitnehmen durften“ und umgehend zurückzugeben hätten, so Trump.

Tatsächlich wirft die Behauptung der Washington Post in konservativen Medien interessante Fragen auf: Immerhin erging der Gerichtsbeschluß zur Razzia auf Trumps Anwesen bereits drei Tage vor der eigentlichen Hausdurchsuchung. Hätten sich wirklich brisante Dokumente zum US-Nuklearwaffenprogramm in Mar-a-Lago befunden, wäre der Zugriff wohl zeitnah geschehen. „Wenn das, was die Bundesagenten mit der Razzia herausholen wollten, tatsächlich ein solches Risiko für die nationale Sicherheit darstellen würde“, kommentiert die rechte Nachrichtenseite Breitbart News, „wird die Tatsache, daß sie beschlossen mehrere Tage mit der Ausführung zu warten, wahrscheinlich noch wichtiger Streitpunkt werden.“

Die US-Tageszeitung Politico schrieb überdies,  der Amtsrichter Bruce Reinhart, der den Durchsuchungsbeschluß genehmigte, habe in der Vergangenheit mehrfach größere Geldsummen für den Wahlkampf Barack Obamas sowie für den ehemaligen Gouverneur Floridas Jeb Bush gespendet. Letzterer war einer der Gegenkandidaten Trumps bei den Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner im Frühjahr 2016.

Reinharts Biographie wurde mittlerweile auf der Netzseite des zuständigen Amtsgerichts für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Behörden fürchten um die Sicherheit des Richters und seiner Familie. Nicht grundlos: Vergangenen Donnerstag erst hatte ein 42jähriger Navy-Veteran einen bewaffneten Überfall auf die FBI-Zentrale der Stadt Cincinnati (Ohio) versucht und war bei einer anschließenden Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen worden. 

Angst und Warnungen vor weiteren Gewalttaten 

Die versuchte Ermordung von Bundesbeamten entsetzte sowohl Demokraten als auch Republikaner. Seitens der Behörden erfolgte eine verschärfte Sicherheitswarnung. „Das FBI und das Heimatschutzministerium haben nach der kürzlichen Vollstreckung eines Durchsuchungsbefehls in Palm Beach eine Zunahme von Drohungen gegen die Strafverfolgungsbehörden beobachtet“, hieß es in einer Erklärung der Bundespolizei, darunter „die Drohung, eine schmutzige Bombe vor dem FBI-Hauptquartier zu plazieren, sowie allgemeine Aufrufe zu ‘Bürgerkrieg und bewaffneter Rebellion’.“

„Ich dachte, früher hätten die Republikaner den Strafverfolgungsbehörden zur Seite gestanden“, bezichtigt Amy Klobuchar, demokratische Senatorin von Minnesota, Trump wegen seiner jüngsten Äußerungen einer indirekten Mitschuld am Ohio-Amoklauf. „Diese Art von Rhetorik ist für unser Land sehr gefährlich.“ Als einer der wenigen Republikaner pflichtet der Senator Larry Hogan, Gouverneur des Bundesstaats Maryland und innerparteilicher Kritiker Trumps, mit Verweis auf den Sturm auf das Kapitol, Klobuchar bei. 

Weitere Gewalttaten könnten die Republikaner bei den Halbzeitwahlen tatsächlich bedenklich ausbremsen: Immerhin werden im November nicht nur sämtliche 435 Abgeordnete des Repräsentantenhauses neu gewählt, sondern auch ein Drittel aller Senatoren sowie 36 Gouverneure. In jüngsten landesweiten Umfragen liefern sich Demokraten und Republikaner ein Kopf-an-Kopf-Rennen.