© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Interventionsspiralen bedrohen unsere marktwirtschaftliche Ordnung
Ein politischer Hühnerhaufen

Kaum glauben unsere Politiker ein Problem halbwegs gelöst zu haben, taucht anderswo ein neues auf. Sie scheinen eine Hydra vor sich zu haben; schlagen sie einen Kopf ab, wachsen an anderer Stelle zwei neue. Doch das ist politischer Flickschusterei geschuldet. Sie doktern an Symptomen herum, ohne die Ursachen und die Folgen im Auge zu haben. So entstehen Interventionsspiralen. Unsere Soziale Marktwirtschaft erlaubt Staatseingriffe, fordert sie sogar, wenn die Marktergebnisse aus sozialen Gründen korrigiert werden sollen. Doch das muß mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung konform gehen. Politiker, die hier und da punktuell eingreifen, mehren die Unübersichtlichkeit. Teilweise sind die Probleme auch erst entstanden, weil Politiker glauben, wider ökonomische Gesetzmäßigkeiten handeln zu können.

Die im Euroraum trabende Inflation ist ein Beispiel dafür. Wenn die Politiker verhindern wollen, daß eine Währungsunion zwischen ungleichen Partnern nicht über kurz oder lang auseinanderbricht, muß man sie entgegen den EU-Verträgen mit Geldschöpfung und Nullzinsen zusammenhalten. Das hat die EZB während des letzten Jahrzehnts getan. Sie hat so das Inflationspotential geschaffen, das die Vermögen weiter Bevölkerungskreise bedroht und schließlich zerstören wird. Die ersten Preissteigerungen hat die EZB weg- oder kleingeredet. Da hätte sie noch wirksame Zeichen setzen können. Zuvor gab es noch die Umverteilung von unten nach oben, und jetzt macht die Inflation genau die Menschen arm, deren Erspartes zuvor schon unterminiert wurde. Finanzminister Christian Lindner verspricht nun Entlastung. Das ist kein Entgegenkommen der Politik, sondern die Eliminierung ungesetzlicher Erhöhungen bei Einkommens-, Umsatz- und Verbrauchssteuern. Die Ausschaltung der kalten Progression ist unumgänglich. Daß Olaf Scholz sagt, dafür habe er Verständnis, ist ein Witz. Es ist unser Recht, von heimlichen Steuer­erhöhungen verschont zu bleiben. Aber sofort will seine SPD-Linke diese Aktion mit zusätzlichen Umverteilungsmaßnahmen befrachten.

Daß russisches Erdgas nicht mehr so fließt, wie es unsere Wirtschaft braucht, ist die Folge unserer Sanktionspolitik. Man mag dafür Verständnis gehabt haben, doch die Kehrseite dieser Politik ist längst spürbar. Man muß inzwischen schon Mitleid haben mit unseren Politikern, die wie aufgeregte Hühner von Notlage zu Notlage flattern. Wo ist in der Regierung der strategische Kopf, der die Wechselwirkung zwischen der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und unserer Energiekrise durchbrechen will? Es geht nicht darum, Wladimir Putin entgegenzukommen, sondern darum, existentielle deutsche Interessen wahrzunehmen. Wir dürfen doch nicht in ein wirtschaftliches Chaos abrutschen, weil Wolodymyr Selenskyj die Krim zurückzuholen will. Fehlt unseren Politikern der Mut, das anzusprechen?

Die Grünen kochen ihr Süppchen auf dem Feuer der Energieknappheit. Anstatt nach einer belastbaren Konstellation für die zukünftige Energieversorgung zu suchen, nutzen sie die Notlage, um ihre Vorstellungen über die Zukunft unserer Gesellschaft durchzusetzen. Sie bringen sie aber nicht in die marktwirtschaftliche Interdependenz ein, sondern wollen uns zwingen, nach grüner Fasson zu leben. Grüne Zentralverwaltungswirtschaft – nein danke!


Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom. Er war Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft und EU-Abgeordneter.