© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Waffenbesitzer unter Druck
Grüne wollen Waffenrecht weiter verschärfen: EU-weit sind die Gesetze unterschiedlich restriktiv / Eine Übersicht
Bernd Rademacher

Die Grünen wollen aktuell das Waffenrecht erneut verschärfen. Ihre Bundestagsfraktion schreibt: „Die Zahl der zugelassenen Waffen in Deutschland nimmt von Jahr zu Jahr zu. Schwerste Straftaten, die mit Schußwaffen begangen wurden, wie in Hanau, Halle, Rot am See, Heidelberg und Kusel, legen schmerzlich den dringenden Handlungsbedarf offen. Es gilt, solch schreckliche Taten möglichst zu verhindern.“ Deshalb sollen die Kontrollmöglichkeiten der Länder evaluiert und der Informationsfluß zwischen den Behörden optimiert werden. „Insbesondere Rechtsextremisten und andere Demokratiefeinde mit Waffen“ seien ein Sicherheitsrisiko und eine Gefahr für unsere Gesellschaft.


I. Das deutsche Waffenrecht


Seit seiner Einführung 1968 wurde das Bundeswaffengesetz bereits vielfach verschärft. Zuerst 1972, zuletzt 2002, 2008, 2009, 2013, 2017 und wieder 2020. Zu den letzten Restriktionen zählten die Einführung des „Kleinen Waffenscheins“ zum Führen von Schreckschußpistolen, die Pflicht zur Aufbewahrung von Schußwaffen in Stahlschränken mit dem höchsten Widerstandsgrad 1 sowie die Abfrage beim Verfassungsschutz bei jeder Beantragung und Verlängerung des Bedürfnisses zur waffenrechtlichen Erlaubnis.

Erwerb und Besitz von Schußwaffen sind in Deutschland an ein „Bedürfnis“ gebunden. Zu den gewährten Bedürfnissen zählen die Jagdausübung, der Schießsport und das Sammeln historischer Waffen. Der private Selbstschutz zählt nicht dazu.

Wer sein „Bedürfnis“ verliert, etwa durch Aufgabe des Schießsports oder Verlust des Jagdscheins, muß seine Waffen einem anderen Erwerbsberechtigten überlassen (sprich: verkaufen) oder der Polizei zur Vernichtung übergeben.

Dabei lauern einige behördliche Stolperstricke: Wer beispielsweise vergißt, seinen Jahresjagdschein rechtzeitig erneut zu lösen, verliert sein Bedürfnis vorübergehend und besitzt demnach Waffen und Munition illegal – und verliert damit dauerhaft die Besitzberechtigung.

Klagen vor Gericht haben kaum Aussicht auf Erfolg. Gerichte urteilen grundsätzlich im Interesse einer Waffenreduzierung. Selbst bei marginalen Verstößen, zum Beispiel gegen die Aufbewahrungsvorschriften, wird die waffenrechtliche Zuverlässigkeit aberkannt, weil der Staat kein Restrisiko toleriert.

Landläufig und in vielen Medien wird oft der Begriff „Waffenschein“ falsch gebraucht. Die waffenrechtliche Erlaubnis für Personen mit einem anerkannten Bedürfnis ist die Waffenbesitzkarte (WBK). Sie berechtigt zum Waffenerwerb, -besitz und dem Transport zum Ort der Bedürfnisausübung auf direktem Weg. Das „Führen“ (also Beisichtragen) in der Öffentlichkeit ist auch mit WBK verboten. Dazu berechtigt nur der Waffenschein. Diesen erhalten nur Personenschützer, Geldtransportbewacher oder besonders gefährdete Personen wie Spitzenpolitiker.


II. Waffenrecht im EU-Vergleich


Generell sind die Waffengesetze in allen Staaten der Europäischen Union ähnlich konstruiert: Es gibt Zugangsbeschränkungen für Feuerwaffen mit Ausnahmen für Jäger und Sportschützen; gefährliche Gegenstände wie Dolche dürfen nicht geführt werden, Stockdegen oder Wurfsterne sind verboten.

Nationale Eigenheiten gibt es bei der Strenge der Reglementierungen sowie bei der Toleranz für Messer und Schreckschußwaffen. Wer legale Schußwaffen in ein anderes EU-Land transportieren will – zum Beispiel um dort zu jagen oder an einem Sportschützenturnier teilzunehmen –, benötigt zusätzlich zu seinen landeseigenen Dokumenten einen Europäischen Feuerwaffenpaß, der bei den Landesbehörden beantragt werden muß. Wer eine Waffe in einem anderen EU-Land erwerben oder verkaufen will, benötigt seit der EU-Feuerwaffenrichtlinie von 2017 eine behördliche Erlaubnis beider Staaten.


England

Kurzwaffen aller Kaliber in Privatbesitz sind in England seit 1997 komplett verboten, weshalb britische Schießsport-Athleten im Ausland trainieren müssen. Millionen Pistolen und Revolver wurden eingezogen. Außerdem gilt ein Totalverbot für das Mitführen von Messern mit einer Klingenlänge über drei Inch (7,62 cm) und „spitzen, scharfen Gegenständen“. Ein Verstoß gilt als „schwere Straftat“.


Frankreich

In Frankreich gibt es vier Millionen Jäger, mehr als in jedem anderen westeuropäischen Land. Daher kommt die Politik nicht an dieser starken Lobby vorbei. In den letzten zwei Jahrzehnten starben in Frankreich 400 Personen bei Jagdunfällen. Das kuriose Verbot von ursprünglich für das Militär entwickelten Jagdkalibern (so wie das deutsche Geschoß 8x57 IS von Mauser oder das amerikanische 30-06 von Springfield) wurde gestrichen.



Dänemark

Hier darf die Polizei Waffenkontrollzonen ausweisen und jede Person innerhalb dieser Zone ohne begründeten Verdacht nach Waffen durchsuchen.


Finnland

Auf fünf Millionen Finnen kommen 1,5 Millionen private Feuerwaffen. Die Altersgrenze für den Erwerb wurde von 15 auf 18 beziehungsweise 20 Jahre (Kurzwaffen) angehoben. Die Waffenlizenzen gelten nur noch fünf Jahre und müssen danach neu beantragt werden.


Polen

Polen gilt bei vielen Waffenfreunden als das „Texas Europas“. Polnische Staatsbürger ohne Vorstrafen können ab 21 Jahren nach einem psychologischen Test eine Waffenlizenz ohne Magazin- und Kaliberbeschränkung erhalten. Diese Lizenz gilt lebenslang und muß nicht erneuert werden. Jäger dürfen allerdings keine Kurzwaffen besitzen.


Österreich

In der Alpenrepublik gilt seit 2019 ein generelles Waffenverbot für „Personen ohne Daueraufenthaltsgenehmigung“, das vom Innenministerium mit dem „eklatanten Anstieg von Verbrechen gegen Leib und Leben“, vor allem mit Messern, durch Ausländer begründet wurde.


Schweiz

Die Eidgenossen sind liberal. Kauf und Besitz von Waffen sind jedem Bürger gestattet und werden elektronisch registriert. Auf acht Millionen Schweizer kommen ca. 2,5 Millionen Schußwaffen, die Hälfte davon Militärwaffen, die zu Hause aufbewahrt werden. Trotz dieser Dichte an legalen Waffen kommt es in der Schweiz so gut wie nie zu Straftaten damit.


Tschechische Republik

Hier ist der private Selbstschutz ein akzeptiertes Bedürfnis. Die Anforderungen an die Aufbewahrung sind sehr moderat.


Kroatien

Angeblich hat das Land die höchste Dichte an Waffenlizenzen pro Einwohner in der EU. Verläßlich ist diese Angabe von „Experten“ nicht. Problematisch sind eher die immer noch zahlreich kursierenden illegalen Kriegswaffen.


Ungarn

Die Gesetze sind eher restriktiv, aber teils konfus formuliert. Die Polizei hat ein großes Maß an Interpretationsspielraum. In größeren Städten herrscht ein generelles Messerverbot.


Baltikum

In den baltischen Staaten sind die Gesetze relativ streng. Für den Erwerb von Waffen gilt eine Sachkunde-Nachweispflicht. Die Lagerung von Munition ist begrenzt. Andererseits haben die Länder toleriert, daß sich seit etwa 2016 sogenannte „Heimatmilizen“ zum Schutz vor russischer Aggression bewaffnet haben. In Estland sind die meisten Messertypen in der Öffentlichkeit erlaubt, dafür braucht man für das Mitführen von Pfefferspray eine behördliche Erlaubnis.


III. Waffen und Kriminalität


Laut Gewerkschaft der Polizei werden in Deutschland weniger als ein Prozent aller Straftaten mit legalen Waffen ausgeführt. Bei den Straftaten mit Schußwaffen stammen fast alle Waffen aus illegalem Besitz, so auch zuletzt beim Polizistenmord von Kusel am 31. Januar. Als politische Rechtfertigung für die Verschärfungen von Waffengesetzen dienten daher Amokläufe von psychisch Kranken wie 1996 in Dunblane/Schottland oder 2002 in Erfurt. Das Verbot von Handfeuerwaffen und Messern in Großbritannien hat sich auf die Kriminalität jedoch nicht ausgewirkt: Auf der Insel werden mehr Verbrechen mit illegalen Schuß- und Stichwaffen begangen als je zuvor.

Auch „amerikanische Verhältnisse“ werden regelmäßig beschworen, um weitere Einschränkungen des privaten Waffenbesitzes durchzusetzen. Dabei zeigt sich gerade dort, daß in den Bundesstaaten mit strikten Waffengesetzen die Mordrate wesentlich höher liegt als in liberalen. Die Lehre aus den USA ist, daß restriktive Waffengesetze lediglich die gesetzestreuen Bürger von Waffen abschneiden, aber nicht weniger Straftaten mit Waffen verübt werden, weil sich Kriminelle nicht um Gesetze kümmern.