© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Selbstzensur aus Rücksicht auf die Karriere
Nichtssagende Buchbesprechungen
ob

Barbara Stollberg-Rilinger, Geschichtsprofessorin und seit 2018 Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, meint im wissenschaftlichen Rezensionswesen einen „Hang zur ‘lauen’ Bewertung“ wahrnehmen zu können. Ob sich damit ankündigt, daß inzwischen auch auf diesem Feld traditioneller akademischer „Debatten- und Streitkultur“ die Meinungskorridore enger geworden sind, läßt die Biographin der Kaiserin Maria Theresia zwar offen. Gewiß ist ihr aber, daß das für die wissenschaftliche Kommunikation so zentrale, Neuerscheinungen in die bestehende Forschungslage einordnende Rezensionswesen aktuell an einem „Problem“ kranke: Allzu viele Besprechungen fielen „nichtssagend“ aus, weil sich ihre Verfasser offenbar nicht mutig zu einer klaren positiven oder negativen Bewertung durchringen könnten. Statistiken dazu liegen nicht vor, aber „wahrscheinlich“ seien es eher jüngere Wissenschaftler, die es sich nicht mit der „Scientific Community“ verderben wollen und sich zurückhalten, vor allem wenn sie noch keine dauerhafte Stelle haben. Diese Selbstzensur aus Rücksicht auf die Karriere werde geübt, obwohl gerade Jüngere sich einen Namen machen und ihr „symbolisches Kapital“ mit einer gründlichen Rezension in einem renommierten Periodikum wie der von ihr geleiteten Zeitschrift für Historische Forschung mehren könnten. Zumal das „klassische Rezensionswesen“ aufgrund der Masse geisteswissenschaftlicher Veröffentlichungen von der Einzel- zur Sammelbesprechung tendiere, die Nachwuchsforschern eher die Chance biete, mit einem Rezensionsessay Überblick auch über die internationale Forschungslage zu beweisen (Forschung & Lehre, 7/2022). (ob)   www.forschung-und-lehre.de