© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

CD-Kritik: Leila Shirvani
Eine Vergeudung
Jens Knorr

Die Cellistin Leila Shirvani wurde 1992 in Rom als Tochter einer englischen Mutter und eines persischen Vaters geboren, beide Cellisten. Programmauswahl und Interpretationen ihrer „360-Grad-Entdeckungsreise rund um das Cello“ irritieren.

Auf Haydns Cellokonzert in C-Dur und Tschaikowskis Variationen über ein Rokoko-Thema op. 33 folgt die Rosina-Arie aus Rossinis „Barbiere di Siviglia“ in einem Arrangement des Cellisten Giovanni Sollima. Den rituellen Feuertanz aus Manuel de Fallas Ballett „El amor brujo“ sowie ein Thema, das Shirvanis iranischer Großvater ihr mündlich überliefert habe, hat der Dirigent, Cellist und Komponist Enrico Melozzi für Cello und Orchester eingerichtet und obendrein seine Eigenkomposition „The Never-Ending Childhood“ beigesteuert. Melozzi dirigiert das die Cellistin begleitende Orchestra Notturna Clandestina.

Eine Entdeckungsreise ist es nicht geworden. Ob klassisches, romantisches, impressionistisches Repertoire oder die in Schmalz gemeißelte Cello-Ballade von Menozzi: alles ist auf delikate Zuckerstückchen reduziert. Shirvanis Haydn ist vor allem historisch uninformiert, ihr Tschaikowski gefällig gestrichen, alle schwermütigen Einsprengsel sind überstrichen. Ihre Rosina ist kapriziös, aber keine gefährliche Viper, ihr Feuertanz lau folkloristisch. Ihr klangschönes Spiel ist durch prahlerische Portamenti unbd Ritardandi entwertet und unter übermäßigen Hall gesetzt. Das haben die Kompositionen nicht verdient. Und eine Virtuosa vergeudet ihr Vermögen.