© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Blick in die Medien
Selbstbedienung? Nie und nimmer!
Tobias Dahlbrügge

Die Zeitungsverlage blicken neidisch auf die pharaonische Gebührenschwemme des Anstaltsfernsehens und wünschen sich auch so eine Geld-Sprinkleranlage. Kulturstaatsministerin Claudia Roth springt da gern ein: Da der „unabhängige Journalismus“ in Deutschland „zunehmend in Gefahr“ sei, will sie „nachhaltig die Strukturen des Journalismus stärken“ und dafür 2,3 Millionen Euro Steuergelder verschenken. Zehn Bewerber haben das große Los gezogen – unter anderem das notorische „Correctiv“ und das ebenso berüchtigte „Netzwerk Recherche“. Klingt, als hätte Claudia Roth die Gewinner selbst ausgewählt? Wo denken Sie hin! Das hat natürlich ganz demokratisch eine „unabhängige Fachjury“ übernommen. Es kommt eben nur darauf an, wer in der siebenköpfigen Jury sitzt …

„Alle drei haben vor der Beratung des jeweiligen Förderantrags den Raum verlassen.“

Gewonnen hatten beispielsweise auch die Deutsche Journalistenschule, der Verein der Neuen Deutschen Medienmacher*innen und ein Projekt der Universität Hamburg.  Und wer hatte nun einen Sitz im Entscheidungsgremium? Henriette Löwisch, Leiterin der – Deutschen Journalistenschule! Ebenfalls einen Platz am Trog erhielt Ferda Ataman, bis Mai noch Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher*innen. Und der Professor der Universität Hamburg Wolfgang Schulz, Direktor des Leibniz Instituts für Medienforschung am Hans-Bredow-Institut. Wie praktisch: Sie konnten also einfach für ihr eigenes Projekt stimmen, denkt man sich. Doch weit gefehlt! 

Auf Nachfrage der JF erklärte ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Roth: „Alle drei Personen haben vor der Beratung des jeweiligen Förderantrags durch die Jury den Raum bzw. die Videokonferenz verlassen und auch an der (...) Entscheidung der Jury über diesen Antrag nicht teilgenommen.“ 

Also hereinspaziert in den neuen Selbstbedienungsladen für Haltungsjournalisten! Endlich brauchen die rot-grünen Tastatur-Ritter nicht mehr neidisch auf die GEZ-Bonzen zu schielen. Obwohl: Im Vergleich zu neun Milliarden sind 2,3 Millionen natürlich ziemlich mager 

– da geht noch viel mehr!