© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Es ist eben kein normaler Job
Ein Plädoyer für die Abschaffung der Prostitution
Werner Olles

Zehn Jahre in der Prostitution hinterlassen Spuren an Leib und Seele. Huschke Mau (Pseudonym) hat den Ausstieg geschafft, über ihre Erfahrungen geschrieben. Richtig ist ihre scharfe Kritik an der sogenannten „Sexarbeiter-Lobby“, die der Öffentlichkeit vorgaukelt, daß Prostitution „ein ganz normaler Job wie jeder andere“ sei. Die Verlogenheit der „Sexarbeiter-Lobby“ anzuprangern ist lobenswert, tatsächlich steht diese zumindest teilweise im Verdacht, der milliardenschweren Sex-und Pornoindustrie und diversen Clans der Frauenhändler-Mafia zuzuarbeiten. Und egal ob Zwangsprostitution Minderjähriger oder ausländischer Frauen, bei der Gewalt und Drogen im Spiel sind, sündhaft teure „Edelprostituierte“ oder die „gewöhnliche“ Prostitution in Clubs und Bordellen: um „normale Arbeit“ handelt es sich dabei in allen Fällen nicht. Genau wie die Pornographie jahrelang als Kunst rehabilitiert werden sollte, versucht man es heute im Gegenteil durch die Beteuerung, daß dies „ehrbare Arbeit“ sei. Es mag stimmen, daß Prostitution in den 1960er Jahren irgendwie idyllischer, weil überschaubar war, da sie durchweg in den Händen einheimischer Ganoven lag, während heute die albanische und libanesische Organisierte Kriminalität den „Markt“ beherrscht.

Daß die Autorin sich keinerlei Illusionen über Männer und ihre speziellen Vorlieben mehr macht, ist verständlich. Kritikwürdig ist jedoch ihre Forderung, das „Nordische Modell“, bei dem der „Sexkauf“ strafbar ist, auch bei uns einzuführen, um so letztlich die Prostitution abzuschaffen. Abgesehen davon, daß dies auch in Skandinavien nicht gelungen ist, erscheint es unrealistisch in einer kapitalistischen Warengesellschaft, in der auch der Körper zur Ware verdinglicht wird und Angebot und Nachfrage das Geschäft regeln. 

Der Kapitalismus kennt als Totalisierung der Warenform den Körper nur verdinglicht, der in die Warenzirkulation eingeht und von Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“ bis Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ das verlorene Bild der Leib-Seele-Einheit als das Exzessive schlechthin zubereitet. Wo die auf Lohnarbeit basierende Gesellschaft zu ihrem Ende kommt, lauert die Sexindustrie mit der Entsublimierung der bürgerlichen Moral und degradiert den weiblichen Körper zur begehrten Ware mit verschieden hohem Tauschwert. Der krude Fetischismus des Körpers, der nun ganz dem Lustprinzip zu gehorchen hat, keine Scham und kein Tabu mehr kennt, bezeugt nicht mehr als das Wirken des Realitätsprinzips. Daher ist auch das „Nordische Modell“, das die Gründerin des Prostituierten-Netzwerks „Ella“ engagiert vertritt, ein emanzipatorischer Fehlschlag.


Huschke Mau: Entmenschlicht. Warum wir Prostitution abschaffen müssen. Edel Books, Hamburg 2022, broschiert, 432 Seiten, 19,95 Euro