© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/22 / 19. August 2022

Der Flaneur
Was für ein Saftladen
Claus-M. Wolfschlag

Ich erinnere mich an das kurze Glück vor zwei Jahren. Die Anzeigentafel im Kölner Hauptbahnhof zeigte durchweg lange Zugverspätungen. Nur hinter meinem Zug stand nichts. „Der kommt wohl pünktlich“, sagte der Herr am Infostand. Ich war fassungslos. Dann das Erwachen in Koblenz: „Wir haben unbegrenzten Aufenthalt, da wir einen Fahrerwechsel haben, aber noch kein Fahrer eingetroffen ist“, lautete die Durchsage. Wenigstens ging die Klimaanlage, und man mußte nicht in brütender Hitze sitzen, wie Wochen zuvor. Nun sitze ich in Dresden, und der Zug hat die fast schon vertraute halbe Stunde Verspätung. In Kassel dann heißt es, daß wir in Fulda unbegrenzten Aufenthalt haben, da die Strecke nach Frankfurt polizeilich gesperrt sei. Es wird eine Ausweichstrecke angekündigt, mit mindestens zwei Stunden Verspätung. Ohne Gewähr.

Dann kommt die Ansage: „Dieser Zug endet in Frankfurt Hauptbahnhof und fährt nicht weiter.“

Am nächsten Tag muß ich ein Problem mit dem Flugticket klären. Telefonisch ist die Lufthansa nicht erreichbar, selbst nachts bin ich eine Stunde in der Warteschleife, bis ich auflege. Also mit der S-Bahn zum Flughafen. Dort herrscht Chaos. Eine Security-Frau rät mir, ich solle zum Infobüro gehen. „Davor stehen 100 Leute mit Gepäckwagen. Es muß doch anderswo einen Ansprechpartner für mein Anliegen geben“, sage ich. Sie verweist mich an einen anderen Schalter. Davor stehen 400 Leute. „Die ganzen Flüge sind ausgefallen“, klärt mich eine genervte Mutter auf.

Ich fahre zurück. Die S-Bahn kommt mit 20 Minuten Verspätung und ist knallvoll. Dann die Durchsage: „Dieser Zug endet in Frankfurt Hauptbahnhof und fährt nicht weiter.“ „Und warum?“, ruft eine Spanierin mit drei Koffern durch das überfüllte Abteil. „Weil das ein Saftladen ist“, antwortete ich und kläre über Privatisierung und Personalabbau auf.

Tags drauf telefoniere ich mit einem Reisebüro-Mitarbeiter: „Wie erreicht man denn jemanden von der Lufthansa?“ Er lacht: „Tja, schwierig.“ „Weil das ein Saftladen ist“, entfährt es mir.




Drogen machen bescheuert, Alkohol blöd und Nikotin häßlich. Sollen andere Leute ihr Geld doch für Zigaretten ausgeben – ich kauf mir lieber eine neue Haarfarbe oder einen tollen Busen.

Daniela Katzenberger

(geb. 1986)