© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/22 / 26. August 2022

Hippie-Skippy
Kino I: „Die Känguru-Verschwörung“ ist der zweite Teil der Saga um ein gezähmtes Beuteltier und einen Vertreter des Prekariats
Dietmar Mehrens

Nun hüpft es wieder, das verrückte Känguruh, das 2020 schon einmal die Kinokassen klingeln ließ. Wir erinnern uns: In „Die Känguru-Chroniken“ verunsicherten ein kommunistisches Känguruh und ein prekär existierender Kleinkünstler namens Marc-Uwe die rechte Szene von Berlin und ließen sich dafür vom linken Pöbel der Wahldebakel-Stadt feiern (JF 11/20).

Der neue Film sollte nach Auskunft von Autor und Regisseur Marc-Uwe Kling keine Verfilmung eines seiner Bücher, „sondern eine neue Geschichte“ sein. „Und zwar über ein ganz heißes Thema, man könnte sagen, das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnung: die Klimakrise. Da es aber wenig witzig gewesen wäre, dem Känguruh zwei Stunden beim Bäumepflanzen zuzusehen“, erläutert der Filmemacher seinen künstlerischen Ansatz, „haben wir das Thema über Bande gespielt.“ So seien „die Verschwörungstheorien ins Drehbuch gehüpft. Das Känguruh und sein Mitbewohner versuchen nämlich, eine Klimawandelleugnerin aus dem Kaninchenbau zu ziehen. Der große Vorteil am Verschwörungsgeschwurbel: Wenn man genau hinsieht, ist da so unglaublich viel Absurdes ... Reichlich Stoff für eine Komödie.“

Wie schon im ersten Teil der Känguruh-Saga waren damit die Rollen klar verteilt. Es fehlte nur noch ein Handlungsgerüst, das die schwerwiegende politische Botschaft tragen konnte. Das Kernstück dieses Gerüsts bildet eine gewagte Wette: Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) und sein tierischer Mitbewohner müssen ihre Wohnung für Maria (Rosalie Thomass), Marc-Uwes Angebetete, räumen, falls sie es nicht schaffen, deren Mutter Lisbeth (Petra Kleinert) von der schlimmen Häresie zu erlösen, der diese verfallen ist. Lisbeth ist nämlich im Internet auf Seiten gestoßen, die sich dem linken Meinungsimperialismus in Fragen des Fortschritts und der Energiesicherheit widersetzen, und leugnet den Klimawandel!

Ganz dem linksgrünen Zeitgeist verpflichteter Filmklamauk

Im klimafreundlichen Bienenmobil – auch für süße Selbstironie ist Platz im Känguruhland – begeben sich Marc-Uwe und die Hippie-Version von Skippy, dem Buschkänguruh, auf Missionsreise und landen schließlich in Bielefeld auf einem Verschwörungskongreß. Erwartungsgemäß machen sich die beiden Klimaretter dort rasch unbeliebt und geraten ins Visier des garstigen Gruselgeschichten-Gurus Adam Krieger, verkörpert von „Babylon Berlin“-Bösewicht Benno Fürmann. Wird die Rechts-links-Konfrontation am Ende, wie bei Extremisten beider Lager üblich, in Chaos und Gewalt ausarten? Jedenfalls stehen die (moralischen) Sieger des ideologischen Kräftemessens selbstverständlich von vornherein fest. 

So simpel gestrickt wie seine Hauptfiguren ist auch die Handlung dieses ganz dem linksgrünen Zeitgeist verpflichteten Filmklamauks. Der anarchische Witz des Originals wirkt in seinem Neuaufguß seltsam akademisiert, gleichsam an die Leine genommen von der mit missionarischem Eifer verfolgten Grundausrichtung, die Kling zwang, möglichst viele Argumente für seine Weltsicht zu verarbeiten. Seine Seelenrettungsmission beschreibt der Regisseur in Anlehnung an „Alice im Wunderland“ wie folgt: „Die Känguru-Verschwörung wird sehr wahrscheinlich niemanden aus dem Wunderland zurückholen.“ Doch könne „das Lächerlichmachen durchaus Leute, die schon am Kaninchenbau stehen, davon abhalten hineinzuspringen“. 

Verglichen mit seinem Vorgänger, der sich noch heftig an der AfD (verballhornt als AzD, „Alternative zur Demokratie“) abarbeitete, kommt der neue „Känguru“-Film jedoch überraschend zahm daher. Die AzD ist zur Randnotiz verkommen. Kurz kommt ein blaues Plakat ins Bild, das war’s. Außerdem ist der Polit-Satire das Bemühen anzumerken, nicht nur gegen rechte Ideologen auszuteilen, sondern auch die Doppelmoral der sogenannten Autonomen zu entlarven, die in Wahrheit ja gar nicht autonom sind, sondern von staatlichen Zuwendungen und Duldungen abhängen, was sich (wie bereits in Teil 1) in der prinzipiell parasitären Lebensphilosophie des Känguruhs widerspiegelt. Nach wie vor hält es die Vorstellung von Mein und Dein für „bürgerliche Kategorien“ und rechtfertigt so seine Schnorrer-Mentalität, die das verbindende Element aller Antifa-Subkulturen ist. Wenn sich Marc-Uwe und das Beuteltier während ihrer Expedition ins Ungewisse von dem Bundeswehrgefreiten Krapotke (Nils Hohenhövel) emissionsfrei per Draisine nach Hinterwalde (!) befördern lassen, ist das ein wunderbares Symbol, das nicht nur diese parasitäre Trittbrettfahrer-Attitüde veranschaulicht, sondern auch als Kommentar zur von Olaf Scholz proklamierten „Zeitenwende“ funktioniert: Die Gleichgültigkeit gegenüber den eigenen Streitkräften hat erst mal ausgedient. 

Und wenn das Känguruh ein Standbild des Hauptmanns von Köpenick reflexhaft als Hitler-Verherrlichung angiftet, ist das ein herrliches Exempel für die toxische Faschismus-Fixierung des linken Milieus, die den demokratischen Diskurs destabilisiert. Fast schon eine ausgestreckte Hand für jeden Rechten, der sie zu erblicken vermag. Kinostart ist am 25. August 2022