© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/22 / 26. August 2022

Mumien, Mumpitz, Mutationen
Kino II: Der Animationsfilm „Tad Stones und die Suche nach der Smaragdtafel“ ist Indiana Jones für Kinder
Dietmar Mehrens

Nach Ansicht der sprechenden Mumie, die ihn auf Schritt und Tritt durch sein neuestes Abenteuer begleitet, ist Tad Stones der großartigste Archäologe der Welt. Schließlich habe er ja sie, also die Mumie, gefunden. Doch leider ist Tad Stones lange noch nicht so arriviert wie sein großes filmisches Vorbild Indiana Jones. Er befindet sich ja auch noch in der Ausbildung. 

Als Stones auf einer Expedition im Inneren einer mexikanischen Azteken-Pyramide einen ägyptischen Sarkophag entdeckt, geht der Forscherehrgeiz mit ihm durch und seine Karriere bekommt eine Delle. Stones aktiviert nämlich durch sein forsches Vorgehen einen uralten ägyptischen Zauber, mit dem schon Napoleon sich einst herumschlagen mußte. Der Schatzjäger hat damit nicht nur den Erfolg der Forschungsreise in Gefahr gebracht, sondern auch seine drei treuen Begleiter: Hund Jeff, Nerv-Papagei Belzoni und die eingangs erwähnte Mumie. Die wurde durch den magischen Knalleffekt nämlich in ein Nilkrokodil verwandelt, während Jeff und Belzoni zu einem merkwürdigen Hybridwesen, halb Hund, halb Papagei, zusammengewachsen sind. Um den Urzustand wiederherzustellen, muß der Bann gebrochen werden. Das geht nur, indem die Smaragdtafel aufgestöbert wird, auf der er basiert. Zwar hat die Expeditionsleitung – mit Ausnahme der Stones persönlich zugeneigten Sara – an der Mitwirkung der Nachwuchskraft kein Interesse mehr. Dafür bekommt Stones aber, kaum nach Chicago zurückgekehrt, Unterstützung von der Journalisten Victoria Moon, der Koryphäe des Fachmagazins „Unknown World“. Im Louvre, der ersten Station ihrer Wiederherstellungsmission, gesellt sich noch die weibliche Mumie Ra-Amon-A, kurz Ramona, zu Stones und seinen Gefährten. Bei Ramona handelt es sich um die sterblichen, aber durchaus noch lebensfähigen Überreste einer Pharaonin aus der 18. Dynastie, deren Existenz Ägyptologen bislang vor allem deswegen verborgen geblieben ist, weil ihre Existenz nicht auf Fakten, sondern auf Frauenquoten für Kinderfilme beruht. Im Innern einer ägyptischen Pyramide kommt es schließlich zum spektakulären Finale.

Die Computer-Animationen bleiben hinter den Standards zurück

Eigentlich ist es ja gar keine schlechte Idee, eine kindgerechte Version der Abenteuer von Indiana Jones zu kreieren und damit auch jüngere Zuschauer in die fabelhafte Welt der Archäologie einzuführen. Andererseits bedient sich die Produktion des spanischen Lightbox-Animation-Studios doch ganz schön unverfroren bei Klassikern des Abenteuergenres. Außer den Indiana-Jones-Filmen mit Harrison Ford sind das auch „Die Mumie“ (1999) und „Das Vermächtnis der Tempelritter“ (2004). Für eine gelungene Persiflage ist der Film jedoch viel zu albern und klamaukig. Es galt offensichtlich die Devise: lieber schrill und bunt als hintersinnig und dezent. Außerdem bleiben die Computer-Animationen hinter den Standards der großen Hollywood-Studios zurück. Allerdings dürften kleinere Zuschauer davon kaum Notiz nehmen in Anbetracht des hohen Erzähltempos und der vielen turbulenten Szenen, die unter der Regie von Enrique Gato aneinandergereiht wurden.

Kinder werden also durchaus auf ihre Kosten kommen. Erwachsene, die ihren Kindern oder Enkeln einen kurzweiligen Nachmittag bereiten möchten, brauchen allerdings gute Nerven, um das Krakeelen des zum Krokodil mutierenden Mumien-Klappergestells und vor allem ein Drehbuch zu ertragen, dessen Quintessenz reiner Mumpitz ist. Kinostart ist am 25. August 2022