© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/22 / 26. August 2022

So herrlich süß
Kaugummiautomaten: Die Relikte der Kindheit kommen zurück
Bernd Rademacher

Sie zählen zu den Kindheitserinnerungen aller Prä-Millennials wie Festnetztelefon „mit Schnur“ oder Autos ohne Gurtpiepser: Kaugummiautomaten. Die meist feuerwehrautorot lackierten Blechkisten hingen in Kinderhandhöhe an jeder zweiten Ecke. Für einen Groschen spuckten sie Flummis, kleine Spielzeuge oder Kaugummis aus. Im Hochsommer schwitzten und verblichen die bunten Kaugummikugeln, bei Winterfrost wurden sie steinhart. Das Pendant in der Erwachsenenwelt war der Erdnuß-Automat in der Eckkneipe.

Heute sind die Kaugummitresore fast ausgestorben, nur noch ein paar vergessene Relikte rosten irgendwo vor sich hin, deren Aufsteller längst verstorben sind. Manchmal ist man aber überrascht, wenn man einen erspäht, der noch für 50 Cent  Ware ausspuckt. 

Auch gibt es einige Enthusiasten, die aus nostalgischer Liebhaberei und Erinnerung an die Kindheit die Automaten retten und restaurieren. Der Aufsteller Paul Kramer aus Oldenburg rüstet alte Kaugummi-Modelle zu „Doggymaten“ um, aus denen Hundehalter Kotbeutel und Leckerlis ziehen können. Reich wird man damit natürlich nicht. Da die simple Technik rein mechanisch ohne Elektronik funktioniert, ist die Wartung unkompliziert. Das größte Problem sind Vandalismus und Diebstahl.

Mit modernen Geräten ist es dagegen umgekehrt: Heutige Automaten für Kaffee, Eis, Snacks widerstehen unbeeindruckt Tritten von Hooligans, müssen aber auch Karten- oder Handyzahlung und Jugendschutzprüfung zuverlässig abwickeln.

Während die alten Blechkästen von Fans für dreistellige Summen gehandelt werden, bietet die Firma Krishna Trading im Rhein-Erft-Kreis zwischen Köln und Bonn die alten „Groschengräber“ aus neuer Produktion, inklusive Füllung mit Schlüsselanhängern, Schmuck für Mädchen und Jungen, Gummibällen und natürlich – Kaugummis. Die Inhaber versprechen: „Der Kaugummiautomat ist auch in Zeiten von Onlineshops und Drohnen-Lieferdiensten der ideale Verkaufskanal!“

Das Geschäft mit Automaten boomt und es gibt auch schon einen Anglizismus dafür: „Vending“, sinnigerweise abgeleitet vom französischen „vendre“, „verkaufen“. Die Branche ist mittelständisch geprägt. 

Allein 2019 setzten deutsche Konsumenten fast drei Milliarden Euro an Automaten um. Bereits eine halbe Million Getränkeautomaten stehen in Deutschland und selbst Vier-Sterne-Hotels gehen inzwischen dazu über, ihre unrentablen Minibars durch Automaten zu ersetzen. Doch wer sich als Automatenaufsteller ein zusätzliches  Einkommen verschaffen will, ist zunächst mit Behörden konfrontiert, vom Gewerbeaufsichtsamt bis zum Finanzamt.

Hinsichtlich der Ausdünnung der Lebensmittelversorgung in ländlichen Regionen leisten Verkaufsautomaten allerdings einen wichtigen Beitrag für die Grundversorgung: In vielen Orten sind Tante-Emma-Läden, Metzger und Bäcker längst verschwunden. Hier können die Maschinen eine lohnende Alternative sein. Chinesische Modelle sind günstiger als die europäischer Hersteller, gehen aber nach Meinung von Aufsteller Paul Kramer öfter kaputt.

„Sie können mit einer Füllung 100 Euro verdienen“

Interesse? Außen-Kaugummi- oder Nuß- und Warenautomaten, aber auch die passende  Füllware bekommt man etwa beim Automaten-Vertrieb im mittelfränkischen Adelsdorf. Dort kostet ein „3- Schacht-Gehäuse“ zur Außenmontage 159 Euro. Dazu kommt das Schloß für das Gehäuse für 12,90 Euro und als Füllung vielleicht die Dubble- Bubble-Kaugummis in den sieben Geschmacksrichtungen:Banane, Orange, Melone, Erdbeere, Schwarzbeere, Kirsche, Ananas. Eine Packung (200 Stück) kostet 17,90 Euro. Oder doch die LED-Leuchtbälle „Twemoji-Schlüsselanhänger mit LED-Licht“? Die  50-Stück-Packung für 34,90 Euro. 

Für den Innenbereich gibt es für 110 Euro den Kaugummiautomaten„Strawberry Shakes“. Er ist befüllt mit 200 Stück „natürlich frischen“ Strawberry-Shake-Kaugummis. „Kinder lieben diesen Kaugummi, weil er so herrlich süß (vanillig ... erdbeerig) schmeckt. Sie können mit dieser Füllung einhundert Euro (200 Stück à 50 Cent) umsetzen“, so die geschäftstüchtigen Adelsdorfer.