© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/22 / 26. August 2022

Kabinenklatsch
Das gibt’s nur einmal
Ronald Berthold

Die Hoffnung stirbt zuletzt. So hoffe ich hin und wieder, daß meine Mannschaft auch kurz vor Schluß noch einen aussichtslosen Zwei-Tore-Rückstand dreht. Wenigstens ein Unentschieden sollte es noch sein. Aber nie hat es geklappt. Seit Manchester United an jenem 26. Mai 1999 bis zum Ablauf der regulären Spielzeit 0:1 hinten lag und trotzdem noch 2:1 gewann, weiß jeder, daß so etwas möglich ist. Denn es war nicht irgendeine Partie, sondern das Endspiel der Champions League. Gegner war kein Geringerer als der FC Bayern. Wenn diese Nummer selbst den Münchnern widerfährt, dann kann das doch auch mein Klub schaffen. Einmal ManU sein! 

Das, wovon alle träumen, haben nun die Werder-Fans erlebt. Der Aufsteiger aus Bremen lag bis zur 89. Minute 0:2 zurück – und zwar beim Vizemeister aus Dortmund. Klare Sache, da kann nichts mehr passieren. Denkste! Es geschah Historisches. Tatsächlich gewannen die Hanseaten das Spiel noch. Nach dem Anschlußtreffer folgten in der Nachspielzeit Ausgleich und Siegtor. 

Statistiker haben herausgefunden, daß das tatsächlich noch nie da war. In keinem der 18.000 Bundesligaspiele in den vergangenen 59 Jahren glückte jemals ein solches Wunder. Und es war nicht eines der legendären Wunder von der Weser, für die der Klub in der 80er Jahren bekannt war. Es geschah im größten Stadion Deutschlands. Wie extrem unwahrscheinlich so etwas ist, zeigt auch ein Blick in die fünf Top-Ligen Europas. Drei Tore ab der 89. Minute hat es dort seit mehr als 13 Jahren nicht gegeben. Da denkt man immer, man hat schon alles erlebt. Und nun wird die Hoffnung beim nächsten 0:2-Rückstand kurz vor Schluß noch größer sein.