© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/22 / 26. August 2022

Der Flaneur
Sinn und Unsinn
René Langner

Was für ein wundervoller Sommertag! Zusammen mit Theo besuche ich den städtischen Badesee. Auch wenn es bei dem tollen Wetter zu erwarten war, schlägt mir der Massenandrang ein wenig aufs Gemüt.

Das Leuchten in den Augen meines Sohnes sowie mein eigener Wunsch nach Abkühlung lassen mich diese leichte Verstimmung jedoch sehr schnell vergessen. Da die Suche nach einem Schattenplatz aussichtslos erscheint, richten wir unser Plätzchen direkt am Wasser ein.

Mit einem Jubelschrei springt Theo in die Fluten. Etwas zurückhaltender, aber dennoch voller Freude folge auch ich. Einige Zeit später verlassen wir das kühle Nass wieder, und sinken glücklich und zufrieden auf unsere Handtücher.

Aristoteles kommt mir in den Sinn: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Während die Sonne meine Haut wärmt, versuche ich mich zu entspannen. Aufgrund der doch recht lauten Debatten um mich herum und dem sicherlich viel zu geringen Abstand gelingt dies eher schlecht. Und so lausche ich, zugegeben gezwungenermaßen, den Gesprächen meiner Strandnachbarn. Besonders die Worte „Layla“ und „tödliche Hitzewelle“ höre ich dabei sehr häufig.

Ich kann es nicht verstehen. Haben wir derzeit keine anderen Sorgen, als uns über einen zotigen Schlager oder das Wetter zu beschweren? Bevor ich mir weitere Gedanken über Sinn und Unsinn dieser vermeintlich wichtigen Themen machen kann, präsentiert mir Theo sein neues Buch: die Geschichte der „Titanic“.

Kurz darauf liest er laut vor: „Die Reichen speisen in Ruhe zu Ende und werden dann höflichst zu den Rettungsbooten geleitet. Während die Kammermusik noch spielt, vermutlich um den Anschein der Normalität zu wahren, stehen die Quartiere der dritten Klasse bereits vollständig unter Wasser.“

Die Worte wirken fast prophetisch. Passiert genau dies vielleicht gerade jetzt? Nicht auf einem Schiff und auf hoher See, sondern gesamtgesellschaftlich in unserem eigenen Land? Ich blicke in den strahlend blauen Himmel. Aristoteles kommt mir in den Sinn: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Und so lege auch ich mich fest: Diese Krise wird gemeistert. Nicht durch Parteien oder Politik, sondern durch die Menschen selbst.


Die Öffentlich-Rechtlichen machen sich in jede Hose, die man ihnen hinhält. Und die Privaten senden das, was drin ist.

Dieter Hildebrandt

(1927–2013)