© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Kemi Badenoch. Wäre die afrikanische Einwanderin Großbritanniens bessere Premiermininisterin?
Konservative der Zukunft
Michael Walker

Was Kemi Badenoch zu berichten hat, könnte aus linker Sicht so schön sein: Eine Einwanderin, die sich durchboxt und es schließlich zur Ministerin bringt. Doch die 42jährige will nichts erzählen von strukturellem Rassismus, toxischem Patriarchat und Geschlechtervorurteilen, gegen die sie sich habe durchsetzen müssen. Statt dessen sagt die pechschwarze Frau aus Nigeria Dinge, die etlichen der offen mit dem Kommunismus sympathisierenden jungen Anti-Rassismus-, Dekolonisierungs- und Klima-Aktivisten, die, wie sie sagen, für die Menschen des „Globalen Südens“ kämpfen, das Blut stocken lassen dürfte. Dinge wie, Sozialismus sei etwas, das sie niemandem wünsche – „denn ich hatte das Unglück, darin aufzuwachsen ... Ich habe erlebt, was es heißt, wenn die Regierung für alles zuständig ist. Wenn Regulierung eine Volkswirtschaft verkümmern läßt und die Gesellschaft hemmt.“

1996 entkam die 16jährige Kemi all dem unverhofft: Durch puren Zufall entdeckten ihre Eltern damals, daß sie durch den vorübergehenden Dienst als Ärzte in Großbritannien zur Zeit von Kemis Geburt das Recht auf Einbürgerung erworben hatten. Noch heute kann ihre Tochter kaum an sich halten, wenn sie beschreibt, was für ein Gefühl es war, plötzlich den diktatorischen Zuständen Nigerias entkommen zu können. 

„Wenn mich etwas konservativ gemacht hat, dann die Erfahrung mit der privilegierten linken Elite.“

Die neue Heimat bot ihr nicht nur „bizarre“ Schauspiele, wie lange Sommerabende, an denen die Sonne einfach nicht untergehen wollte, oder rote doppelstöckige Automobile, in denen Menschen gemeinsam fuhren und an festen Haltepunkten aus- und einstiegen, sondern schließlich auch ein Studium der Informatik an der „sehr linken Universität Sussex. Wenn mich etwas konservativ gemacht hat, dann die Erfahrung mit der privilegierten Elite dort“, empört sie sich, „die über Afrika in gönnerhafter, bevormundender Art sprach, als ob wir dort Babys wären, die ihrer höheren Einsicht bedürfen. Seitdem bin ich sehr mißtrauisch gegenüber jenen, die behaupten, Schwarzen helfen zu wollen, tatsächlich aber nur ihre gute Gesinnung demonstrieren und sich in Wahrheit für sie überhaupt nicht interessieren.“

Kein Wunder, daß sich Badenoch 2005 den Torys zuwandte. 2017 zog sie ins Parlament ein, 2019 wurde sie Staatssekretärin für Kinder und Familien und ab 2020 Junior-Ministerin in verschiedenen Ressorts, unter anderem des Schatzamts. Nach Boris Johnsons Rücktritt im Juli war sie gar als dessen Nachfolgerin im Gespräch. Doch das Rennen machten schließlich Rishi Sunak und Liz Truss, die nun zur Wahl stehen.

Dabei wäre aus konservativer Sicht Kemi Badenoch vielleicht die beste Wahl, denn mehr als die beiden ist sie bereit, der aktuellen linken Ideologie die Stirn zu bieten. Andererseits, wer bei ihr herausragende Qualitäten wie Originalität, Witz oder gar Brillanz sucht, wird enttäuscht. Ihre Politik ist traditionell thatcheristisch, also für freies Unternehmertum und Wohneigentum. 

Doch verkörpert Badenoch einen neuen Typ: den konservativ-patriotischen farbigen Einwanderer. Ironischerweise ist es heute die liberale Linke mit ihrer „Identitätspolitik“ und ihrer Vorstellung von institutionellem Rassismus, die rassenbesessen zu sein scheint. Die Torys ermutigen inzwischen gern Nichtweiße, für sie zu kandidieren. In Zukunft werden noch viel mehr Konservative so aussehen und klingen wie Kemi Badenoch.