© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Alles, was Recht ist
Kampagne: Hans-Georg Maaßen ist seit langem ein renommierter Grundgesetz-Kommentator / Nun fordern einige Mitautoren seinen Rauswurf
Jörg Kürschner

Die Ausgrenzung politisch nicht korrekter Meinungen hat jetzt auch die Rechtswissenschaft erfaßt. So gilt der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen unbestritten als hervorragender Jurist. Das CDU-Mitglied verantwortete unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) als Projektleiter das heikle Thema Zuwanderung. Maaßen sei „einer der besten Beamten, die ich je kennengelernt habe“, adelte ihn sein Vorgesetzter zum Ende der Amtszeit 2005. 

Bereits seit mehr als 20 Jahren gehört der promovierte Jurist außerdem zu den Kommentatoren des Münchner Beck-Verlags, des Flaggschiffs der Branche. Jetzt verlangen Co-Kommentatoren, der Verlag solle sich von Maaßen trennen. Denn dieser lege mit juristisch unhaltbaren Auffassungen „die Axt an die Wurzel von Demokratie und Rechtsstaat“, schrieb der Staatsrechtler Stefan Huster in einem Gastbeitrag für die FAZ. So unterstelle Maaßen eine strafrechtliche Verantwortung des Bundeswirtschaftsministers, wenn Menschen hierzulande in Folge des Ukrainekriegs durch einen Mangel an Gas zu Schaden kämen. Er bediene damit das „Narrativ der Systemgegner (…), bald werde richtig aufgeräumt“. Er verursache ein „Störgefühl“ mit seinen Positionen, die er mit einer gemeinsamen Kommentierung des Grundgesetzes „nicht hoffähig machen möchte“, lehnt Huster seine eigene weitere Mitarbeit an dem Standardwerk ab. Üblicherweise sind bis zu 20 Juristen mit einer Kommentierung befaßt und verantwortlich für die von ihnen autorisierten Artikel. Der Maaßen-Kritiker verwahrt sich in seinem öffentlichen Schreiben vorbeugend gegen den Vorwurf der Cancel Culture, besteht aber darauf, daß „es im juristischen Diskurs auch Grenzen geben“ müsse. 

Huster erinnert an den Fall des NS-belasteten Theodor Maunz, jenes Top-Juristen der Nachkriegszeit, der als Universitätsprofessor, Landesminister und Herausgeber des renommiertesten Grundgesetzkommentars bis zu seinem Tod 1993 anonym Artikel in der rechtsextremen National-Zeitung publizierte und deren Herausgeber beriet. Dieses Engagement sorgte seinerzeit für einige Verblüffung, ebendieser Beck-Verlag strich Maunz daraufhin aus der Liste der Herausgeber. 

Im Fall Maaßen distanzieren sich leitende Lektoren des Verlags von ihrem Autor („unerträgliches Verhalten“) und verweisen darauf, daß die Zusammenarbeit mit ihm „in jüngerer Vergangenheit beendet“ wurde. Das Ausländerrecht werde in der Neuauflage von dem Rechtswissenschaftler Winfried Kluth kommentiert. In einer weiteren Mail lehnt der Beck-Verlag aber eine „Gesinnungskündigung“ aus rechtlichen Gründen ab. Man müsse den Ex-Verfassungsschützer ja nicht unbedingt zitieren, lautet der wenig wissenschaftliche Vorschlag.

Diese Formulierungen werteten die Herausgeber des Grundgesetzkommentars offenbar als ein unangemessenes Abrücken von ihrem Co-Autor. Dessen politische Äußerungen mögen als „befremdlich“ oder „unangemessen“ empfunden werden, erklärten die Rechtswissenschaftler Volker Epping und Christian Hillgruber. Aber: „Wir anerkennen keine Form irgendeiner ‘Kontaktschuld’.“ Wer angesichts der Mitwirkung eines anderen Autors ein „Störgefühl“ empfinde, müsse selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Maaßens Äußerungen seien  von der „individuellen Meinungsfreiheit“ gedeckt. Huster warfen sie vor, „den Verlag und die Herausgeber unter ungebührlichen politischen Druck zu setzen und in Mißkredit zu bringen“. 

Der nun erneut in die Schlagzeilen geratene ehemalige Behördenchef reagierte gelassen auf die Kontroverse. Er habe von sich aus dem Verlag bereits bei Übernahme des Amtes als Verfassungsschutzpräsident 2012 mitgeteilt, daß ihm künftig die Zeit für eine Mitwirkung an der Kommentierung von Staatsangehörigkeits- oder Asylrecht fehle. 

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT betonte Maaßen, er sehe sich durch die Positionierung des Beck-Verlags gestärkt, mit dem er seit mehr als zwei Jahrzehnten eine gute Zusammenarbeit pflege. Offenbar sei dem Haus durchaus bewußt, daß es für die juristische Kommentar-Literatur nicht zweckdienlich sei, wenn man Autoren aufgrund ihrer politischen Einstellung aussortiere. „Wenn sie mit mir anfangen würden, wer käme als nächstes? Vielleicht ein Arbeitsrechtler, der unternehmernahe Positionen vertritt?“ 

Neben den Anwürfen von linker Seite habe er erfreulicherweise auch viel Zuspruch aus den Reihen der juristischen Zunft erhalten. Professoren, Staats- und Rechtsanwälte hätten sich bei ihm gemeldet, berichtete Maaßen.