© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Dem Amateur ist alles zu schwör
Paul Rosen

Was die Kosmetik für die Damen, sei der Regierungssprecher für die Regierung, pflegte der 2016 verstorbene frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu sagen. Gemessen an diesem Maßstab sieht die Ampel-Koalition blaß aus. Es geht schief, was schiefgehen kann, besonders für Kanzler Olaf Scholz (SPD), was nicht zuletzt am schlechten Wirken des Chef-Visagisten im Bundespresseamt, Regierungssprecher Steffen Hebestreit, liegt. Der einst für die Frankfurter Rundschau tätige Hebestreit war schon Scholz’ Sprecher in dessen Zeit als Finanzminister; nach der gewonnenen Bundestagswahl nahm Scholz den Journalisten mit.

Hebestreits Wirken dort ist alles andere als erfolgreich. Er ließ es zu einem Eklat beim Besuch des Palästinenser-Präsidenten Abbas kommen, anstatt dem Kanzler noch einmal das Wort zur Klarstellung zu geben (JF 35/22). Wobei man allerdings sicher sein kann, daß Angela Merkel sich das Wort genommen hätte. Doch Scholz ist nicht Merkel.

Bilder sind heute fast wichtiger als Inhalte. So ließ Hebestreit einen Fototermin zu, bei dem ein tollpatschig wirkender Kanzler auf einen für die Ukraine bestimmten Flakpanzer Gepard kletterte (siehe oben). „Unfreiwillig komisch“ sei das gewesen, befand die Welt. Andere Medien schrieben von „Panzerturnen“ oder „Scholz auf Klettertour“. Statt Verbundenheit mit der Ukraine zu demonstrieren, machte sich der Kanzler zum Spottobjekt.

Völlig schief ging die Reise des Kanzlers und seines Wirtschaftsministers, Robert Habeck (Grüne), nach Kanada, wo sie über Gaslieferungen sprechen wollten, aber nichts Konkretes erreichten. Statt-

dessen machten Bilder die Runde, die beide Kabinettsmitglieder im fröhlichen Plausch mit Journalisten an Bord einer Maschine der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums zeigten – allerdings trug niemand eine Maske. Das wurde massiv kritisiert, da Bahnreisende ohne Maske von der Polizei aus dem Zug geholt werden und Flugzeuge nicht starten, wenn Passagiere die Maske nicht aufsetzen wollen. Den kommunikativen GAU hatte Hebestreit zu verantworten. 

Zu Zeiten von Merkel achtete ihr Regierungssprecher, Steffen Seibert, darauf, daß im Flugzeug keine Fotos gemacht wurden. Jetzt machte der Vorwurf der „Masken-Doppelmoral“ die Runde. Es half auch nichts, daß Hebestreit darauf hinwies, alle Mitreisenden hätten sich kurz vor der Reise einem PCR-Test unterzogen, was ein „Geschwaderbefehl“ der Luftwaffe vorschreibe. Deshalb hätten sie keine Masken tragen müssen. Bei Lufthansa und Bahn befreit ein PCR-Test nicht von der Maskenpflicht. Der Anwalt und Jura-Blogger Udo Vetter stellte fest, Paragraph 28b des Infektionsschutzgesetzes schreibe eine Maskenpflicht für alle Flugzeuge vor, die von Deutschland aus starten. Ein „Geschwaderbefehl“ könne dies nicht aushebeln. Selbst Justizminister Marco Buschmann (FDP) empfahl Scholz und Habeck, „daß wir überall die gleichen Regeln anwenden, die auch sonst gelten“. Inzwischen gilt  in Regierungsfliegern wieder ganz offiziell eine Maskenpflicht.