© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Haie, die eher kleine Fische sind
Kampagne „Hamburg enteignet“: Auch dort, wo sie nicht draufsteht, steckt die Linkspartei als Drahtzieher dahinter
Hinrich Rohbohm

Der Name ist das Ziel: In zwei Wochen wird die Initiative „Hamburg enteignet“ mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen. Unterschriften für eine Volksinitiative zur Enteignung von Hamburger Wohnungsunternehmen, deren Eigentum die Gruppe in „demokratisch verwaltetes Gemeineigentum überführen“ möchte, wie sie es nennt.

Als Vorbild dient Berlin. Dort hatten sich im September vergangenen Jahres parallel zur Bundestagswahl per Volksentscheid 57,6 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für die Enteignung großer Immobilienunternehmen ausgesprochen. 240.000 Wohnungen wären in der Hauptstadt davon betroffen. Das sind 15 Prozent des Berliner Mietwohnungsbestands. 30 Jahre nach der deutschen Einheit und dem damit verbundenen Ende des DDR-Unrechtsregimes wurden damit staatlich erzwungene Enteignungen in Deutschland erstmals mehrheitsfähig. In der Bundesrepublik ein Novum. Der Haken aus Sicht des Steuerzahlers: Käme es tatsächlich zur Enteignung, müßten die Unternehmen nach Rechtslage für den Verlust finanziell entschädigt werden.

Angeschoben hatte den Volksentscheid seinerzeit die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“. Unterstützt von der Linkspartei und den Grünen. Sprecher und Initiator der Gruppe war Rouzbeh Taheri, ehemaliger Bundessprecher der Linksjugend Solid und heute Geschäftsführer des Neuen Deutschland, des einstigen Zentralorgans der SED. Gesponsert wurde die Initiative zudem von der aus dem Umfeld von Attac und Greenpeace stammenden Bewegungsstiftung. Jetzt erhält auch „Hamburg enteignet“ Geld aus der Schatulle dieser Stiftung. 15.000 Euro macht sie für die Initiative locker. Doch im Gegensatz zu Berlin ist die Resonanz in Hamburg bisher verhalten.

„Viele von uns würden sich als Kommunist*innen bezeichnen“

Sommer 2022, St. Pauli-Landungsbrücken: Eine kleine, etwas verloren wirkende Truppe aus den Reihen von „Hamburg enteignet“ hat sich vor dem Hotel „Hafen Hamburg“ zu einer Demonstration eingefunden. Kaum mehr als 30 Teilnehmer, die gegen die hier tagenden Immobilienmanager protestieren wollen. Fast ebenso viele Einsatzfahrzeuge hat die Polizei in der Straße hinter dem Hotel aufgefahren. Einige Demo-Teilnehmer verbergen ihr Gesicht, nutzen ihre Covid-Masken zur Vermummung. Ein mobiler Infostand der Linkspartei mitsamt Fahne ist mit dabei. Und ein aufblasbarer Hai. Die Linke hat ein Transparent daran befestigt. „Miethaie zu Fischstäbchen!“ lautet die martialische Botschaft. Dazu eine alte Klassenkampfparole: „Bezahlbare Miete statt fetter Rendite!“ Und eine Internet-Adresse: miete-bezahlbar.de, eine von der Linkspartei initiierte Seite. Das Transparent auf dem Hai verbleibt nur wenige Minuten. Dann hängen die Veranstalter es eilig wieder ab. Nur der Hai bleibt. Vielleicht weil zu offensichtlich wird, daß „Hamburg enteignet“ nichts weiter als eine Aktion der SED-Nachfolgepartei ist? Und damit auch die Bewegungsstiftung faktisch eine Kampagne der Linken finanziell fördert?

Tatsächlich gehört „Miethaie zu Fischstäbchen“ zu der schon wesentlich älteren Kampagne „Das muß drin sein“ der Linken, für die der Parteivorstand bereits im März 2015 insgesamt 50.000 Euro bereitgestellt hatte. Und noch etwas wird auf der Internetseite klar: Die Linke betreibt ihre Enteignungsinitiativen stets unter anderen Namen. Nur nicht unter ihrem eigenen. In Frankfurt kämpft die Gruppe „Mietentscheid“ für Enteignungen. Verantwortlicher ist der Altlinke Dieter Fornoni, der in den siebziger Jahren als Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Studentenschaften wirkte und heute dem Koordinierungskreis von Attac in Frankfurt angehört, zudem als Kassenwart für Pro Familia tätig ist.

In München ist es die Initiative „Ausspekuliert“. Deren Initiator ist Tilman Schaich. Der Künstler wird in den Medien als Kämpfer gegen den Mietenwucher in der bayerischen Hauptstadt gefeiert, kann dort in Stellungnahmen seinen Haß auf den Kapitalismus ausleben. Ohne daß seine Verbindungen zur Linkspartei Erwähnung finden. Was wiederum erklärt, warum sich die Linke hinter den Namen verschiedenster Initiativen versteckt.

Und auch der „Hamburg enteignet“-Sprecher Christoph Kleine ist in der linksradikalen Szene kein Unbekannter. Der Berufsdemonstrant mit abgebrochenem Geschichtsstudium gilt als einer der Mitplaner der G20-Krawalle 2017 in Hamburg, ist innerhalb der Interventionistischen Linken (IL), in der er als einer der Sprecher fungiert, eine zentrale Figur.

Schon 1985 trat der zeitweilige Betreiber eines auf Kasperlefiguren spezialisierten Großhandels für Kinderspielzeug mit dem Namen „Trullala“ dem Lübecker Arbeitskreis Antiimperialistischer Widerstand bei. Der Arbeitskreis fusionierte 1989 mit der Autonomen Gruppe Kiel zur vom Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Organisation Avanti, die 2014 wiederum in der Interventionistischen Linken (IL) aufging. Kleine wirkte auch als Bündnissprecher bei den Blockupy-Krawallen 2015 in Frankfurt mit, tritt zudem als Sprecher von Seebrücke Hamburg auf. Bei der einstigen Sabotagegruppe „Castor schottern“ war er ebenfalls mit von der Partie, darüber hinaus in der „Alternative“, einem linksautonomen Zentrum in Lübeck.

Dort kennen ihn noch einige. Aber offenbar ist nicht jeder gut auf ihn zu sprechen. Denn der Mann, der nun Hamburgs Wohnungsunternehmen enteignen möchte, soll in Lübeck „recht nobel“ logiert haben, wie sich einer aus der Szene erinnert. „Der lebte in einer schönen Gegend und in einer schönen, sanierten Wohnung in der Altstadt, war sogar ein Nachbar des Bürgermeisters“, sagt der Mann mit finsterem Blick und bitterem Unterton. Das soll „um das Jahr 2015 herum“ gewesen sein. Später sei er nach St. Pauli gezogen. Auch als Lagermanager in der Logistik soll Kleine „vorübergehend“ tätig gewesen sein. Angesichts der jüngsten Sabotagepläne der Interventionistischen Linken gegen die Hamburger Hafenlogisitik ein nicht ganz unwichtiges Detail.

In einem taz-Streitgespräch vom 30. April vorigen Jahres zwischen dem IL-Sprecher Kleine und Halil Simsek vom antiimperialistischen Roten Aufbau wurde die Versteckstrategie ebenfalls deutlich. „Die IL geht in so gut wie alle Bewegungen, wo Kämpfe geführt werden. Wir sind in der Klima- und antirassistischen Bewegung, bei der Seebrücke, in Antifa-Bündnissen, arbeiten mit Mieter*innen, in den Krankenhausbündnissen, unterstützen Sexarbeiter*innen“, erklärte Kleine dort. Und: „Viele von uns würden sich als Kommunist*innen bezeichnen.“ Auch darauf, wie der Kommunismus des 21. Jahrhundert aussehen müsse, geht Kleine in dem Streitgespräch ein. „Wir brauchen einen Kommunismus, der demokratisch ist, dezentraler als Lenins Modell, er muß feministisch sein, queer, ökologisch, um den Kapitalismus zu überwinden und einen radikalen Bruch mit dem Bestehenden zu vollführen.“

Vor dem Hotel „Hafen Hamburg“ ist an jenem Sommertag von einem „radikalen Bruch“ wenig zu sehen. „Ab Herbst werden wir mehr“, versucht es einer der Teilnehmer mit Selbstmotivation, die heraufziehende Energiekrise vielleicht schon ahnend. Bisher jedenfalls haben die Hamburger Enteignungsbestrebungen irgendwie mehr etwas von Kasperlefiguren und Trullala.