© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Grüße aus … Budapest
Glückliches Ungarn
Claus-M. Wolfschlag

Als ich von einer Deutschen mit ungarischen Wurzeln am Flughafen Budapest abgeholt werde, entspinnt sich ein Gespräch über Politik und Medien. „Es ist bemerkenswert: Wenn man mal die ungarischen Medien hört, erhält man völlig andere Deutungen zum politischen Geschehen als in Deutschland. Es wird einem dann bewußter, welcher Manipulation man ausgesetzt ist. Wenn das in Ungarn nur Propaganda sein soll, dann ist es in Deutschland nicht weniger Propaganda“, sagt sie. Ich denke: „Du freies Ungarn“, aber entgegne trotzdem kritisch: „Die Deutschen glauben, daß nur alle anderen Propaganda betreiben, aber bei ihnen alles blütenweiße Aufklärung ist. Es ist eine Form von Naivität oder des alten Überlegenheitsglaubens.“

Für Konservative scheint in Ungarn die Welt noch in Ordnung. Die Bevölkerung ist mitteleuropäisch. Vorderasien und Afrika haben sich noch nicht dominierend ins Stadtbild gedrängt. „Du selbstbewußtes Ungarn“, denke ich. Reisende können sich recht sicher fühlen. Selbst auf einem kleinen, harmlos wirkenden Bahnhof patrouillieren zwei Sicherheitswachleute mit Schlagstöcken. 

Das prächtige ehemalige Finanzministerium und der Erzherzog-Joseph-Palast werden gerade rekonstruiert.

Der Zug trifft mit nur minimaler Verspätung ein. Allerdings hapert es vielerorts noch mit den Englischkenntnissen, sei es bei Bahnbediensteten oder Museumsmitarbeitern. Und es ist eine Neigung zur Überbürokratisierung unübersehbar. Im kleinen Ticketbüro der Bahnstation Budapest Déli pályaudvar gehe ich an den nicht frequentierten Schalter. 

Doch ich werde fortgeschickt, da ich erst einen Nummernzettel am Automaten ziehen muß. 30 Sekunden später stehe ich mit der Nummer vor derselben übellaunig dreinblickenden Schalterbediensteten. Ein deutsches Paar sagt mir kurz darauf: „Wir waren gerade die einzigen Kunden im Raum. Dennoch mußten wir erst zurück und eine Nummer ziehen.“

Noch eine Besonderheit ist durch eine weitere Legislatur der Regierung Viktor Orbán sichergestellt: Während sich in Deutschland das nach 1990 entstandene Zeitfenster der großen Rekonstruktionsprojekte allmählich schließt, entstehen in Budapest zahlreiche im Zweiten Weltkrieg zerstörte historische Gebäude neu. Das Burgviertel in Buda gleicht in Teilen einer Großbaustelle. Das ehemalige Gebäude des Roten Kreuzes, das einstige Verteidigungsministerium, das prächtige ehemalige Finanzministerium und der Erzherzog-Joseph-Palast werden gerade rekonstruiert. Es handelt sich dabei allesamt um zumeist klassizistische oder neobarocke Großbauten. Und diese sind nur die augenfälligsten Projekte neben zahlreichen Rekonstruktionsvorhaben, die sich durch die ganze Budapester Innenstadt ziehen. „Du schönes, glückliches Ungarn“, denke ich.