© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Anhaltender Widerstand
Energiepolitik: Die umstrittene Gasumlage entzaubert Robert Habeck
Marc Schmidt

Zwölf Firmen haben Gelder aus der umstrittenen Gasumlage (JF 35/22) beantragt. Es geht dabei um voraussichtlich 34 Milliarden Euro, die eigentlich über einen Aufschlag auf die Gasrechnung von 2,419 Cent pro Kilowattstunde (kWh) finanziert und über eine Mehrwertsteuersenkung teilweise vom Fiskus „aufgefangen“ werden solle. Der RWE-Konzern und die deutsche Tochter der österreichischen OMV haben die Gelder nur aus „Vorsicht“ beantragt. Steigt der Gaspreis weiter an, könnten noch mehr Anbieter ihre Lieferversprechen nur mit riesigen Verlusten erfüllen – dann würde auch Shell bei der „marktgebietsverantwortlichen“ Trading Hub Europe GmbH (THE) anklopfen. Die Gasumlage soll schließlich 90 Prozent der Extrakosten decken.

Zusätzliche Lasten für Bürger und Steuerzahler noch abwendbar

Doch von den zwölf Firmen ist nur die Düsseldorfer Uniper SE (zu 75 Prozent im finnischen Staatsbesitz) von einer Pleite bedroht – das deutsche Management hatte voll auf die russischen Lieferversprechen vertraut und den Gaskunden zuviel versprochen. Aber trotz des Einstieg des Bundes und trotz des Neun-Milliarden-Kredits der staatlichen KfW-Bank wurden nun weitere vier Milliarden Euro verlangt. Bedenkt man, daß die Gasumlage auch deswegen erfunden wurde, um das Kreditrating von Uniper zu erhalten, war diese Ad hoc-Meldung an der Börse ein Schlag ins Gesicht für die rettenden Ampel-Politiker und die Bürger. Die meisten Gasimporteure sind allerdings in der Lage, die gestiegenen Gasbeschaffungskosten an die Kunden weiterzureichen – sie streichen Rekordgewinne ein.

Der Umfrage-König Robert Habeck ist nun entzaubert. Die fehlende Kompetenz an der Spitze seines grünen Wirtschaftsministeriums zeigt sich auch durch die Appelle an internationale Aktiengesellschaften zum Verzicht auf die legale Beantragung von Finanzhilfen. Doch die Vorstände haften im Zweifelsfall gegenüber Aufsichtsrat und Aktionären für Schäden, wenn durch den Verzicht auf Staatsgelder signifikant geringere Erträge erzielt werden. Wenn Habeck darüber redet, daß nur insolvenzgefährdete Firmen Anträge stellen sollen, dann hat er keine Ahnung von deutschem Unternehmensrecht und den zwingenden Folgen substantieller Insolvenzwarnungen. In einem solchen Fall müßten die Gasnetzbetreiber auf Vorkasse umstellen, die Kreditwürdigkeit würde sinken. Das Unternehmen würde Kunden und Lieferanten verlieren, die ausbleibende Lieferungen oder Rückforderungen eines Insolvenzverwalters fürchten müssen.

Habeck muß auf Druck der medial nicht so beliebten Koalitionspartner SPD und FDP mit heißer Nadel an einer Reform seiner Verordnung zur Einführung einer Gas-Sicherungsumlage stricken. Das ursprüngliche Hauptziel, Uniper zu „retten“, ist längst nur noch Makulatur. Man darf bezweifeln, daß es im zweiten Versuch gelingt, die Lasten für Bürger und Steuerzahler zu reduzieren – große Anwaltskanzleien formulieren schon immense Schadensersatzklagen. Auch die Verhältnismäßigkeit der Verbraucherbelastung steht in Frage: Warum soll ein Einfamilienhausbesitzer bei vervierfachten Gaspreisen zusätzlich 500 bis 750 Euro Umlage pro Jahr bezahlen? Und wie will Habeck einzelne Firmen am Markt vom Bezug der versprochenen Gasumlage ausschließen? Denn Gesetze und Verordnungen dürfen einzelne Firmen nicht im Wettbewerb direkt bevorzugen oder ausschließen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist deutsches und EU-Recht. Daraus leitet sich der legale Anspruch der Unternehmen VNG, EWE, Sefe und Wingas (frühere Gazprom-Töchter), OMV, Axpo, Vitol, Gunvor, DXT Commodities, Enet Energy und RWE ab. Das mag unmoralisch sein. Wer aber verhindern möchte, daß diese Firmen und ihre internationalen Eigner an der Gasumlage verdienen, sollte mehrere tausend Beamte im Wirtschafts- und Finanzministerium dazu bringen, ein rechtssicheres und zielgenaues Gesetz zu formulieren. Doch Gender-Sternchen & Co. in ihren Verlautbarungen scheinen den Ampel-Partnern wichtiger zu sein.