© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Autonome Frauen bremsen Pekings Bevölkerungspolitik
Konfuzianische Familienstrukturen
(dg)

Mao Zedong ging noch davon aus, daß eine ständig wachsende Zahl junger Arbeitskräfte die wirtschaftliche und militärische Stärke Chinas garantieren würde. Aus Angst vor einer nochmaligen Hungerkatastrophe, wie sie Maos „Großer Sprung nach vorn“ 1959 ausgelöst hatte, vollzog dessen Nachfolger Deng Xiaoping daher eine drakonische bevölkerungspolitische Wende, als er 1980 für Großstädter das „Ein-Kind-System“ einführte. Seine „Biopolitik“ setzte für die Soziologin Christa Wichterich allerdings nur den Kurs des konfuzianischen Patriarchats mit seiner Präferenz von Söhnen als Erben und Altersversorgern verstärkend fort. Mit dem schon zur Jahrtausendwende sichtbaren Ergebnis, daß nach massenhafter Abtreibung weiblicher Föten heute 40 Millionen Frauen „fehlen“, während bei den Männern ein „Überschuß“ von 35 Millionen entstand, unter denen Millionen Heiratswillige keine Frau finden. Darauf reagierte Peking 2016 abermals mit einer radikalen Wende hin zur „Zwei-Kind-Familie“. Das war zugleich eine Entscheidung gegen das westeuropäische Modell, Probleme einer alternden Gesellschaft durch Einwanderung zu lösen, werfe es doch bezüglich „Bildung, Gesundheit und Produktivität“ keine qualitativ hochwertige „demographische Dividende“ ab. Da trotzdem der Trend zum Nullwachstum anhielt, erfolgte 2021 der Übergang zur „Drei-Kind-Familie“. Diese jedoch stoße auf den Widerstand eines „neuen chinesischen Frauentyps“, der sich in Chinas liberalisierter Wirtschaft entfalten konnte. Diese „autonome Frau“ sei Trägerin des kulturellen Wandels weg von überlieferten Geschlechterordnungen und Familienstrukturen (Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2022). 


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