© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Blick in die Medien
Völlig unausgewogen
Boris T. Kaiser

Die Feministin Ivy Haase, Stellvertretende Redaktionsleiterin der Audio Alliance von Bertelsmann, hat ein Problem mit Podcasts. Genauer: mit deren Hörern. Die sind nämlich ganz schön sexistisch, glaubt sie. Zumindest wittert die Autorin hinter den Kriterien, nach denen die zu oft männlichen Hörer ihre Lieblingssendungen auswählen, solche Motive. Anders kann sich die Aktivistin es nicht erklären, daß sich in den Podcast-Charts vorwiegend Formate finden, die vor allem eines gemeinsam hätten: „Männer sprechen mit Männern, oft über Männer und für Männer.“ Anläßlich der turi2-Podcast-Wochen prangerte die Journalistin das Hörverhalten des Publikums an. Das interessiere sich zuwenig für Sendungen, in denen Frauen als starke Meinungsmacher auftreten. Das Problem sei nicht, daß diese Formate nicht existieren, schreibt sie, sondern daß „wir sie nicht hören“ und daß sie nicht „aus der Masse herausstechen“. Das habe aber, da ist sich die Podcastmacherin sicher, „nicht etwa etwas mit ihrer Qualität zu tun“. Natürlich nicht. 

Dabei greift sie – bestimmt ganz zufällig – die Zeichen-trickstreifen „Mulan“ und „Dschungelbuch“ heraus ...

Vielmehr seien wir es laut Haase einfach „seit Jahrzehnten gewohnt, Frauen zwar zu sehen, aber gar nicht mal so oft zu hören, auch nicht, wenn sie die Protagonistin sind“. Als schlagenden Beweis für die ziemlich steile These, daß man Männer ganz allgemein viel mehr reden höre als Frauen, führt die Redakteurin zwei Disney-Filme an. Dabei greift sie – bestimmt ganz zufällig – die Zeichentrickstreifen „Mulan“ und „Dschungelbuch“ heraus, in denen die weiblichen Rollen einen Redeanteil von lediglich 30 beziehungsweise sogar nur zwei Prozent hätten. Fragt sich, wer das ausgezählt hat und warum nicht in Betracht gezogen wird, daß in beiden kaum weibliche Figuren vorkommen. Was für ein Glück für die Argumentation der Unterhaltungsfachfrau, daß sie bei ihren unvoreingenommenen Recherchen nicht auf einen der vielen Filme gestoßen ist, in denen fast alle wichtigen Rollen weiblich sind. Geschweige denn auf irgendeine Serie à la „Sex and the City“, in der eine Gruppe von Frauen nichts anderes tut, als die ganze Zeit nur über sich und ihr ach so spannendes Leben zu reden.