© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/22 / 02. September 2022

Briefmarken – vergessene Quellen der Erinnerungskultur
Auswahl des Widerstands
(ob)

Philatelistische Quellen finden in der historischen Forschung nur selten Beachtung, obwohl sie die Erinnerungskultur einer Nation widerspiegeln. Am Beispiel des zum 20. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1964 von der Bundespost ausgegebenen „Widerstandsblocks“ zeigt der auf Briefmarkengeschichte spezialisierte Jenaer Juniorprofessor René Smolarski, welches Potential in diesen „ästhetisch gestalteten postalischen Gebührenquittungen“ liegt, wenn man die gelegentlich lauten öffentlichen Debatten zu einigen Motiven in die Untersuchungen rekonstruiert (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 3/2022). Welche politischen Botschaften der Block sendete, ergebe sich schon auf den ersten Blick: An alle Widerstandskreise sollte mit Porträts ihrer Protagonisten erinnert werden – nur nicht an die Kommunisten. Zudem belegen überlieferte Dokumente aus der Entstehungsphase des Blocks weitverbreitete Vorbehalte, die zum Ende der Adenauer-Ära allgemein gegen den Widerstand und speziell gegen den 20. Juli bestanden. Zugleich sei das Bemühen zu erkennen, die konservativen Eliten ins Zentrum des Widerstands gegen das NS-Regime zu rücken, Kommunisten, Zeugen Jehovas sowie „kleine Leute mit katholischer oder sozialdemokratischer Überzeugung“ aber aus der Erinnerung zur verbannen. 


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